Leitsatz (amtlich)
1. Eine von der gesetzlichen Rentenversicherung getragene, auf höchstens sechs Monate angelegte Beschäftigungsmaßnahme zur Wiedereingliederung des berufsunfähigen Versicherungsnehmers an seiner bisherigen Arbeitsstelle ist keine die frühere Lebensstellung wahrende Verweisungstätigkeit im Rahmen einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.
2. Sehen die Bedingungen einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung nur die Möglichkeit einer konkreten Verweisung vor, so kann der berufsunfähige Versicherungsnehmer auch dann nicht verwiesen werden, wenn er die von ihm aufgenommene andere Tätigkeit nach seinen gesundheitlichen Verhältnissen zwar vollschichtig ausüben könnte, sie tatsächlich aber nur in einem so geringen Umfang verrichtet, dass er eine die bisherige Lebensstellung wahrende Vergütung nicht erzielt.
Normenkette
BUZ2004C §§ 2, 7
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 11.02.2011; Aktenzeichen 11 O 6107/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 11.2.2011 - 11 O 6107/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des LG Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.120 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte ihre Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung berechtigt eingestellt hat.
Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Ergänzend hat der Senat festgestellt:
Der Kläger hatte am 22.1.2007 eine Wiedereingliederungsmaßnahme als Produktionsarbeiter bei seiner bisherigen Arbeitgeberin, der Fa. V., begonnen. Im Rahmen dieser von der Deutschen Rentenversicherung, Knappschaft - Bahn - See (Knappschaft) getragenen Maßnahme arbeitete er zunächst zwei Stunden täglich, dann vier Stunden, schließlich im Mai 2007 an einem einzigen Tag sechs Stunden; der Kläger erhielt hierbei ein Überbrückungsgeld von 700 oder 800 EUR. Unter dem 29.6.2007 erteilte die Knappschaft dem Kläger den Bescheid: "Die stufenweise Wiedereingliederung gilt mit dem 31.5.2007 als abgebrochen". Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Auffassung der Knappschaft in der Zeit bis zum 21.7.2007 nicht mehr mit dem Erreichen der vollen Arbeitsfähigkeit von acht Stunden zu rechnen sei, der Erfolg der Maßnahme sei somit ausgeschlossen. Außerhalb dieser Maßnahme arbeitete der Kläger bei derselben Arbeitgeberin - weiterhin als Produktionsarbeiter - sodann ab Juni 2007 drei Stunden täglich, wobei er einen Verdienst von rund 300 EUR monatlich netto erzielte, während er vor dem Unfall vom 18.8.2005, der zur Anerkennung der Leistungspflicht der Beklagten aus der streitgegenständlichen Versicherung mit Schreiben vom 30.5.2006 geführt hatte, für seine Berufstätigkeit mit netto monatlich 900 EUR bis 1.050 EUR entlohnt worden war. Zum 31.3.2009 wurde dem Kläger von seiner Arbeitgeberin mit Zustimmung des Integrationsamts gekündigt. Seit November 2009 arbeitet er als Helfer in einem Autozentrum, wobei er - nach zunächst noch geringfügigerer Beschäftigung und Entlohnung - seit rund einem Jahr bei einer Arbeitszeit von 48 Stunden rund 320 EUR netto pro Monat verdient. Daneben bezieht der Kläger von der Knappschaft auf Dauer eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.6.2010 in diesem Prozess hat die Beklagte den Kläger "auf die aktuell ausgeübte Tätigkeit" verwiesen, die er vollschichtig ausüben könne.
Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass die durch die Beklagte mit Schreiben vom 15.1.2008 zum 1.3.2008 vorgenommene Leistungseinstellung unwirksam ist, weil beim Kläger in seinem Beruf, so wie er bis zur Berufsunfähigkeit ausgeübt worden sei, weiterhin bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bestehe. Mit der Frage der Verweisung hat es sich nicht befasst. Es hat wie folgt erkannt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1.3.2008 bis längstens zum 1.12.2030 eine monatliche Rente von 800 EUR zu zahlen, zahlbar monatlich im Voraus.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1.3.2008 bis längstens zum 1.12.2035 von der Beitragszahlungspflicht zu der fondsgebundenen Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zum Versicherungsschein Nr. L 020571 244 022 freizustellen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gegen...