Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Mangels bei einem Werkvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Werkunternehmer schuldet im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Mangel vorliegt, ist zunächst durch Vertragsauslegung das Leistungssoll zu ermitteln. Ergibt die Auslegung ein bestimmtes Vertragssoll, so ist das Werk mangelhaft, wenn die Sollbeschaffenheit nicht erreicht wird.

Für die Beurteilung, ob die Werkleistung hinter dem Leistungssoll zurückbleibt, sind auch neue, d.h. nach der Abnahme erlangte Erkenntnisse maßgebend (hier: neue Fachregeln für das Dachdeckerhandwerk).

2. Es stellt einen Mangel dar, wenn beim Bau eines mehrgeschossigen Wohngebäudes mit Mansardendach auf Dachflächen mit einer Neigung von mehr als 65 Grad nicht jeder Ziegel einzeln befestigt wird.

 

Normenkette

BGB § 633 a.F., § 633 n.F.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 16.05.2002; Aktenzeichen 17 O 10545/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 16.5.2002 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft D. und L. in F. in ihrer Gesamtheit zu Händen des WEG-Verwalters, W., 56.753,40 EUR Kostenvorschuss sowie Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.1.2002 zu bezahlen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die den Betrag von 56.753,40 EUR übersteigenden Kosten für die Beseitigung folgender von der Beklagten bei der Errichtung der Wohnanlage L. in F. verursachten Mängel am Gemeinschaftseigentum inklusive Abnahme durch einen Baufachmann zu tragen:

Fehlende Einzelbefestigung der Biberschwanzziegel an sämtlichen Dachflächen der Wohnanlage L. in F. (Haus 3 und 4) mit Ausnahme der Dachfläche des Gebäudes L. Westseite (Haus 3) und des nordseitigen Walmdaches des Längsbaues L.

IV. Hinsichtlich der fehlenden Einzelbefestigung der Ziegel in der Fläche des nordseitigen Walmdaches des Längshauses wird die Klage abgewiesen.

V. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

VI. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Den Streithelfern werden die durch die Nebenintervention verursachten Kosten auferlegt.

VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt vorbehalten, eine Vollstreckung durch die Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird - auch hinsichtlich der Streithelfer - auf 59.753,40 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um Vorschussansprüche hinsichtlich der Befestigung von Dachziegeln auf dem Dach der Wohnanlage L. in F.

Die Kläger sind Eigentümer von Eigentumswohnungen in der oben genannten Wohnanlage. Die Beklagte erstellte bis 1995 als Bauträger diese Eigentumswohnanlage. Veräußert wurden die Wohnungen von der Beklagten ab 1993.

Die Dächer weisen eine sog. geknickte Dachform (Mansardendach) auf. Im unteren Teil sind sie steil und mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Im oberen Teil sind sie abgeflacht und mit Betondachsteinen gedeckt.

Auf den Dachflächen mit Ausnahme des Westdachs des Gebäudes Nr. 37 (Haus 3) ist nur jeder fünfte bis sechste Biberschwanzziegel mittels einer Klammer befestigt.

Die Abnahme der gesamten Eigentumswohnanlage durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgte im Jahr 1995.

Die Kläger behaupten, dass die Dächer im unteren Bereich eine Dachneigung von mehr als 65 Grad aufweisen. Sie sind der Ansicht, dass die Biberschwanzziegel aufgrund der hohen Dachneigung einzeln hätten befestigt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, liege ein Mangel vor. Hinsichtlich des Daches Westfassade Haus 3 liege ein Mangel darin, dass zumindest die Randziegel nicht befestigt seien.

Die Beklagten wurden mit Fax vom 28.4.2000 unter Fristsetzung bis 5.5.2000 zur Beseitigung der Mängel aufgefordert. Eine Nachbesserung ist bis heute nicht erfolgt.

Die Kläger haben deshalb ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt (LG Nürnberg-Fürth - 1 OH 7380/00). Dort hat der Sachverständige S. zwei Gutachten erstellt am 22.12.2000 und am 16.5.2001. Wegen des Inhalts dieser Gutachten wird auf die Akten des selbständigen Beweisverfahrens Bezug genommen.

Die Kläger haben in erster Instanz behauptet, dass zur Mängelbeseitigung ein Betrag von 111.000 DM erforderlich sei.

Sie haben deshalb in erster Instanz beantragt, die Beklagten zu einem Kostenvorschuss von 111.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, die diesen Betrag übersteigenden Kosten für die Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum inklusive Abnahme durch einen Baufachmann ebenfalls zu tragen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Streithelfer zu 1) bis 3) haben sich diesem Antrag angeschlossen.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft gerügt....

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