Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche gegen Bewohner eines zur Insolvenzmasse gehörendes Hauses

 

Leitsatz (amtlich)

Bewohnt der Insolvenzschuldner gemeinsam mit seiner Familie ein zur Insolvenzmasse gehörendes Haus, so muss er selbst an die Insolvenzmasse eine Nutzungsentschädigung bezahlen, seine Angehörigen aber nur dann, wenn dies besonders vereinbart ist oder sie dem Insolvenzschuldner zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sind.

 

Normenkette

InsO §§ 100, 148; BGB § 812

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Urteil vom 30.12.2004; Aktenzeichen 3 O 2066/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Regensburg vom 30.12.2004 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 17.969 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist seit 5.2.2002 der Insolvenzverwalter über das Vermögen von Frau Dr. I.J., der Ehefrau des Beklagten zu 1) und Mutter des Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 1) hat kein eigenes Einkommen, der Beklagte zu 2) bezieht eine Ausbildungsvergütung i.H.v. 200 EUR. Die Insolvenzschuldnerin übt ihren Beruf als Zahnärztin auch nach der Insolvenzeröffnung weiter aus, wobei ihr von den verdienten Honoraren ein Betrag von 3.517,20 EUR als pfandfrei belassen wird.

Zur Insolvenzmasse gehört u.a. das auch schon vor Insolvenzeröffnung von den Beklagten gemeinsam mit der Insolvenzschuldnerin bewohnte Haus. Weder die Beklagten noch die Insolvenzschuldnerin entrichteten für die Benutzung des Hauses bis 31.7.2004 ein Entgelt. Die Insolvenzschuldnerin erklärte sich zwar am 9.8.2004 im Rahmen einer Besprechung beim Insolvenzgericht bereit, für die Zeit ab August 2004 für die Nutzung des Anwesens einen Ausgleich zu zahlen, weigerte sich aber, auch für die seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 5.2.2002 verstrichene Zeit ein entsprechendes Nutzungsentgelt zu leisten.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten seien als Gesamtschuldner verpflichtet, für den Zeitraum vom 5.2.2002 bis 31.7.2004 eine Nutzungsentschädigung i.H.v. insgesamt 17.969 EUR zu zahlen, weil sie das streitgegenständliche, zur Insolvenzmasse gehörende Wohnhaus gemeinsam mit der Insolvenzschuldnerin benutzten. Er hat gemeint, dies ergebe sich aus § 148 InsO, wonach er verpflichtet sei, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz zu nehmen; dazu zähle auch die Nutzungsentschädigung für das von der Beklagten mitbewohnte Haus.

Die Beklagten haben sich demgegenüber darauf berufen, dass es für die vorliegende Klage keine gesetzliche Anspruchsgrundlage gebe. Ihr Besitzrecht ergebe sich aus ihrer ggü. der Insolvenzschuldnerin bestehenden Unterhaltsberechtigung.

Das LG hat der Klage mit Endurteil vom 30.12.2004, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, mit der Begründung stattgegeben, die Beklagten seien um die Wohnungsnutzung ungerechtfertigt bereichert. Gegen dieses ihnen am 4.1.2005 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 2.2.2005 Berufung eingelegt und diese mittels eines am 2.3.2005 beim OLG eingegangenen Schriftsatzes begründet.

Die Beklagten machen geltend, § 148 InsO sei keine Anspruchsgrundlage. Sie nutzten das Wohnhaus auch nicht als unbeteiligte Dritte, sondern als Familienangehörige der Insolvenzschuldnerin. Das Ersturteil entziehe ihnen den Schutz des § 765a ZPO bzw. des § 149 ZVG. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 2.3.2005 und den weiteren Schriftsatz vom 18.4.2005 verwiesen.

Die Beklagten stellen folgenden Antrag:

Das Urteil des LG Regensburg vom 30.12.2004 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger stellt den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er trägt vor, den Beklagten immer schon gesagt zu haben, dass er Nutzungsentschädigung verlangen müsse. Er habe bewusst auf eine Räumungsanordnung verzichtet; das bedeute jedoch nicht, dass die Beklagten keine Nutzungsentschädigung zu zahlen hätten. In der Insolvenz sei alles zur Masse zu ziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf die Berufungserwiderung vom 5.4.2005 sowie den weiteren Schriftsatz vom 23.5.2005 verwiesen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage als unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen die Beklagten zu.

1. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 148 InsO.

a) § 148 Abs. 1 InsO gibt dem Insolvenzverwalter zwar den Auftrag, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwahrung zu nehmen. Zur Insolvenzmasse gehört nach § 35 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, wobei die Schuldnerschutzvorschriften aus dem Recht der Einzelzwangsvollstreckung entsprechend gelten (§ 36 Abs. 1 InsO). Das Vermögen anderer Personen als des I...

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