Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung eines Pkw-Fahrers, der einen betrunkenen, nachts bei Regen auf der Fahrbahn einer Landstraße laufenden Fußgänger anfährt.
Normenkette
StVO § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Weiden i.d.OPf. (Aktenzeichen 1 O 745/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Weiden vom 21.2.2002 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 5.196,85 Euro nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz hieraus seit 13.7.2001 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 1/6 seiner materiellen Zukunftsschäden aus dem Unfall vom 24.3.2001 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/4, die Beklagten 1/4 zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird aus 22.590,54 Euro (20.590,54 Euro + 2.000 Euro Feststellung) festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz, weil er vom Pkw des Beklagten zu 1) am 24.3.2001 als Fußgänger erfasst und schwer verletzt worden ist.
Das LG hat auf eine Haftung der Beklagten zu einem Drittel erkannt; da der Beklagte zu 1) zwar nicht auf Sicht gefahren, der Kläger selbst aber den Unfall überwiegend dadurch verschuldet habe, dass er trotz vorhandenen Fußwegs betrunken in dunkler Kleidung nachts auf der Fahrbahn einer Landstraße gelaufen sei. Unter Berücksichtigung dieses Mitverschuldens hat es die Beklagten zur Zahlung von 393,59 Euro Sachschaden, von 20.169,65 Euro Schmerzensgeld verurteilt und deren Haftung für künftige materielle Schäden i.H.v. 1/3 festgestellt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die der Auffassung sind, den Beklagten treffe kein Vorwurf und es sei angesichts des erheblichen Verschuldens des Klägers für eine Mithaftung kein Raum. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, die Protokolle, das Ersturteil und die Akten 3 Js 6508/01, die Gegenstand der Verhandlung waren, Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet, denn die Beklagten sind nicht von Haftung frei. Der Senat ist aber der Auffassung, dass bei dem vom Erstgericht zutreffend festgestellten Sachverhalt eine Haftung der Beklagten nur i.H.v. 1/6 und ein Schmerzensgeld des Klägers nur i.H.v. 5.000 Euro begründet ist.
1. Die Haftung des Beklagten zu 1) ist gem. § 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 StVO, § 7 StVG gegeben. Die Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 3 Nr. 1 PflVG.
Mit dem LG geht der Senat davon aus, dass der Beklagte den Unfall verschuldet hat, weil er das Gebot des Fahrens auf Sicht nicht ausreichend beachtet hat (§ 3 Abs. 1 S. 3 StVO). Auf Ziff. 1 der Entscheidungsgründe des Ersturteils wird Bezug genommen.
Zum Berufungsvorbringen ist ergänzend auszuführen:
Es kann dahinstehen, ob die Geschwindigkeit des Beklagten den Sichtverhältnissen angepasst war, denn die Tatsache des Unfalls zeigt, dass er entweder zu schnell gefahren ist oder unaufmerksam war (vgl. BGH v. 23.6.1987 – VI ZR 188/86, MDR 1988, 41 = NJW-RR 87, 1235). Auch die Tatsache, dass der Kläger nicht generell damit rechnen musste, dass sich nachts um 3.00 Uhr auf der Landstraße ein betrunkener Fußgänger auf seiner Fahrbahn befinde, entlastet den Beklagten nicht vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 S. 3 StVO. Das Sichtfahrgebot hat vielmehr seine Rechtfertigung gerade darin, dass der Kraftfahrer bei Dunkelheit seine Geschwindigkeit so einrichten muss, dass er sein Fahrzeug auch noch vor einem überraschenden unbeleuchteten Hindernis rechtzeitig anhalten kann (vgl. OLG Hamm NJW-VHR 1996, 10).
2. Der Senat bewertet allerdings das Mitverschulden des Klägers an dem Unfall so hoch, dass lediglich eine Haftung der Beklagten von 1/6 in Betracht kommt. Denn der Beklagte hat den Unfall ganz überwiegend selbst verschuldet:
Er ist betrunken in dunkler Kleidung bei Regen nachts um 3.00 Uhr auf einer Landstraße auf der Fahrbahn gelaufen, obwohl ein separater Fußweg vorhanden war. Dies war grob fahrlässig.
Zum einen hat er nicht den vorhandenen Gehweg benutzt und damit gegen § 25 Abs. 1 S. 1 StVO verstoßen. Dann ist er entgegen seiner Verpflichtung gem. § 25 Abs. 1 S. 2 StVO nicht am Fahrbahnrand gegangen, wie die frontale Beschädigung rechts von der Mitte des beklagten Fahrzeugs zeigt. Schließlich war er als Verkehrsteilnehmer vorwerfbar unaufmerksam (§ 1 Abs. 2 StVO); sonst hätte er, da er die linke Straßenseite benutzte, das Scheinwerferlicht des entgegenkommenden Beklagtenfahrzeugs sehen müssen und hätte die Fahrbahn verlassen können.
Dass er betrunken war, kann ihn nicht entlasten, im Gegenteil. Denn Trunkenheit eines Fußgängers ist zwar nicht strafbar, aber als grob fahrlässige Selbstgefährdung vorwerfbar (vgl. zum alkoholisierten Kraftfahrer BGH NJW 89, 612). Denn der Beklagte wusste, bevor er Alkohol zu...