Verfahrensgang
LG Weiden i.d.OPf. (Aktenzeichen 1 O 650/97) |
Gründe
Die Berufung der Kläger ist im wesentlichen begründet. Ein Schmerzensgeldanspruch ist für beide Kläger deshalb gegeben, weil sie als Zeugen der Tötung ihrer Mutter Gesundheitsschäden erlitten haben, die einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen (§§ 823, 847 BGB)
I.
Der Beklagte hat nach Überzeugung des Gerichts die Mutter der Kläger in Gegenwart der Kinder erschossen und dadurch den Klägern die Traumatisierung zugefügt, die den Schmerzensgeldanspruch begründet (§ 823 BGB). Nach den unstreitig richtig ermittelten Tatumständen besteht an der Täterschaft des Beklagten kein vernünftiger Zweifel. Der Senat stützt sich dabei auf die als Urkundsbeweis (vgl. BGH VersR 83, 667) verwerteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Die Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen wird auch von dem Beklagten nicht in Frage gestellt.
Aus diesen Ermittlungsakten ergibt sich, daß es zwar keine Augenzeugen gibt, die gesehen haben, wie der Beklagte die Mutter der Kläger erschoß. Die Indizien schließen jedoch für den Senat Zweifel an der Täterschaft des Beklagten aus:
Dem Beklagten gehörte die Schußwaffe, mit der die Mutter der Kläger getötet wurde.
Die Tat konnte nach den Umständen nicht von einer dritten Person begangen worden sein, denn der Balkon, auf dem die Tat geschah, liegt ohne Außenzugang vor dem Wohnzimmer im ersten Stock des Hauses. Auf diesem Balkon hielten sich zur Tatzeit nur der Beklagte und die Mutter der Kläger auf. Die Kinder waren im Wohnzimmer beim Fernsehen, so daß ausgeschlossen werden kann, daß sich über das Zimmer unbemerkt jemand auf den Balkon begeben hätte.
Die Schüsse konnten angesichts der neben dem Beklagten auf dem Balkon aufgefundenen Waffe nicht von außerhalb des Hauses abgegeben worden sein.
Nach der polizeilichen Aussage des Klägers scheidet aus, daß die Mutter der Kläger erst auf den Beklagten geschossen und sich dann selbst getötet hätte. Denn nach dieser Aussage fielen zunächst zwei Schüsse hintereinander, woraufhin der Kläger durch die geöffnete Balkontür die Mutter auf dem Stuhl blutüberströmt zusammenbrechen sah, ein dritter Schuß fiel erst einige Zeit später. Diesen dritten Schuß konnte die Mutter somit nicht abgegeben haben; da die Anwesenheit einer dritten Person ausscheidet, muß diesen Schuß der Beklagte auf sich selbst abgegeben haben.
Aus der Tatsache, daß der Beklagte als Rechtshänder die Schußverletzung an der linken Kopfseite erlitten hat, entstehen angesichts der sonstigen Umstände keine Zweifel an der Täterschaft des Beklagten. Daß sich ein Rechtshänder mit einer Faustfeuerwaffe in die linke Kopfhälfte schießen kann, bestreitet der Beklagte selbst nicht. Im übrigen bedarf es für die Feststellung, daß es möglich ist, mit der rechten Hand eine Faustfeuerwaffe zur linken Kopfseite zu führen, keines Sachverständigengutachtens. Diese Bewegung ist jedem nicht bewegungsbehinderten erwachsenen Menschen möglich. Dies ist allgemeinkundig.
Der weitere Beweisantrag des Beklagten, der die Tat mit Nichtwissen bestreitet, auf Erholung eines Gutachtens, daß "erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Beklagten bestehen", ist unzulässig. Denn der Beklagte, der angibt, nicht zu wissen, ob er die Tat begangen hat, benennt mit Ausnahme des bereits behandelten Umstands, daß er Rechtshänder sei, keine Tatsachen, die erhebliche Zweifel an seiner Täterschaft begründen könnten. Es handelt sich insoweit um einen "ins Blaue hinein" gestellten Beweisermittlungsantrag, der im Zivilprozeß unzulässig ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 20. Aufl., vor § 284 Rn. 5 m.w.N.).
II.
Der Senat hat auch die Überzeugung gewonnen, daß beide Kläger durch die vor ihren Augen geschehene Tötung der Mutter Verletzung ihrer Gesundheit in einem Umfang erlitten haben, der einen Schmerzensgeldanspruch begründet (§ 847 BGB).
1. Dabei geht der Senat mit dem Bundesgerichtshof (vgl. BGH NJW 1989, 2317 f. m. w. N.) davon aus, daß Trauer und seelischer Schmerz von Hinterbliebenen nach dem System der beschränkten Deliktshaftung des BGB grundsätzlich nicht zu einem Schmerzensgeldanspruch gegen den Täter führen und daß bei Angehörigen - als mittelbar von der Tat Betroffenen - eine unmittelbare Beeinträchtigung der Gesundheit nur da gegeben ist, wo es zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer kommt, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden (vgl. BGH aaO).
2. Diese Grenze ist nach Überzeugung des Senats bei beiden Klägern wesentlich überschritten.
a) Beide Kläger waren unmittelbare Tatbetroffene. Sie waren Tatzeugen, hörten den tödlichen Schuß und sahen aus dem Zimmer - wo sie beim Fernsehen gesessen waren - durch die offene Balkontür, wie ihre Mutter auf dem Stuhl blutüberströmt zusammenbrach. Daß ein solches Erlebnis zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen führen wird, die auch nach allgemeiner Verkehrsauffassung als Verletzung der Gesun...