Leitsatz (amtlich)
Auch im Verbandsklageprozess kann eine verwendete Klausel nur insoweit der gerichtlichen Kontrolle unterworfen sein, wie sie vom beklagten Verwender tatsächlich Verwendung findet. Bietet der Verwender nur Verträge mit einer bestimmten Mindestlaufzeit an, ist Gegenstand der Prüfung nur die Verwendung der Klausel bei Verträgen mit diesen Konditionen.
Bei Verträgen über die Zurverfügungstellung webbasierter Software können Vorfälligkeitsklauseln gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstoßen, wenn in der vorzunehmenden Gesamtabwägung die Interessen des Kunden, nicht über möglicherweise erhebliche Zeiträume in Vorleistung gehen, für diese Zeiträume das Insolvenzrisiko des Verwenders tragen und dem Verwender Liquidität zur Verfügung stellen zu müssen, die Belange des Verwenders, nicht seine Leistungen erbringen zu müssen, ohne die Gegenleistung tatsächlich zu erhalten, überwiegen.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1; UKlaG §§ 1, 5, 8 Abs. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 7 O 3271/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Mai 2023, Az. 7 O 3271/22, abgeändert und die Beklagte verurteilt,
1. es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern i.S.v. § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen über Verträge zur Nutzung von webbasierter Software, die eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten aufweisen, zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:
"Bei durch den Kunden schuldhaft verursachtem Zahlungsrückstand (Verzug) von mehr als 2 Monatsraten, wird der gesamte Rechnungsbetrag für die jeweilige Vertragslaufzeit sofort fällig."
2. an die Klägerin 243,51 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 16. Juli 2022 zu zahlen.
II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter I. 1 ausgesprochene Verbot ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte in ihren Verträgen eine Klausel zur Gesamtfälligkeit des an sich monatlich zu entrichtenden Entgelts im Fall eines Zahlungsverzug des Verbrauchers verwenden darf.
Die Klägerin ist eine in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene qualifizierte Einrichtung, die Verbraucherinteressen verfolgt. Die Beklagte bietet Verbrauchern ein Paket von webbasierter Software zum privaten Finanzmanagement an, bestehend aus Software zum "Liquiditätsmanagement", zum "Finanzierungsmanagement" und zum "Informationsmanagement". Darin enthalten ist insbesondere ein Haushaltsrechner und ein Manager zum Überblick über laufende Verbindlichkeiten; ferner sollen der Vergleich einzelner Angebote für Kredite, Bausparverträge u.Ä. ermöglicht und aktuelle Nachrichten aus dem Finanzbereich geliefert werden. In ihren Vertragsformularen ist eine anfängliche Laufzeit von 24 Monaten fest vorgesehen, die sich bei Ausbleiben einer Kündigung verlängert. In der in den Vertragsbedingungen enthaltenen angegriffenen Klausel wird bestimmt, dass bei einem schuldhaft verursachten Rückstand um mehr als 2 Monate der gesamte Rechnungsbetrag für die Vertragslaufzeit sofort fällig wird.
Die Klägerin sieht Bestimmungen dieser Art unter mehreren Gesichtspunkten als Verstoß gegen AGB-rechtliche Vorschriften an, weshalb sie - nachdem eine Abmahnung erfolglos geblieben ist - mit ihrer am 15. Juli 2022 zugestellten Verbandsklage Unterlassung sowie Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten i.H.v. 243,51 EUR begehrt.
Das Landgericht hat die Klage im angegriffenen Endurteil abgewiesen. Die Klausel höhle weder eine individuelle Gestaltung zur Fälligkeit aus noch benachteilige sie Verbraucher unangemessen. Die Bestimmung knüpfe an einen Zahlungsverzug von mehr als 2 Monatsbeiträgen an, der eine besonders schwerwiegende schuldhafte Vertragsverletzung des Kunden darstelle und die Beklagte nach den Regelungen für Mietverträge sogar zur fristlosen Kündigung berechtigen würde. Der Beklagten könne nicht angesonnen werden, bei Zahlungsverzug des Kunden statt dessen eine Kündigung auszusprechen; der Kunde habe kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Klägerin diesen Schritt unternimmt. Daraus, dass selbst bei einer Kündigung nicht die gesamten künftigen Raten sofort fällig würden, könne die Klägerin auch deshalb nichts herleiten, weil lediglich der Erfüllungsanspruch modifiziert werde und die schadensersatzrechtliche Differenzhypothese keine Anwendung finde. Schließlich belaste den Kunden die Überbürdung des Insolvenzrisikos der Beklagten nicht in unvertretbarer Weise, da er durch den vorangegangenen eigenen Vertragsbruch die Situation verursacht habe und ihm ferner die Rechte aus § 321 BGB zustünden.
Hiergegen richtet sich...