Leitsatz (amtlich)
In Zwangsvollstreckungssachen hat das LG auch dann über sofortige Beschwerden zu entscheiden, wenn eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Aktenzeichen 2 W 40/03) |
LG Oldenburg (Aktenzeichen 6 T 718/03) |
Tenor
Zuständig ist das LG Oldenburg.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 29.4.2003 hat das AG Westerstede einen Widerspruch der Schuldnerin gegen die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das AG dem LG Oldenburg zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat das Verfahren an das AG mit der Begründung zurückgegeben, dass das OLG gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG zur Entscheidung berufen sei, weil die Schuldnerin ihren allgemeinen Gerichtsstand in England habe. Das daraufhin mit der Sache befasste OLG Oldenburg hat sich mit Beschluss vom 24.6.2003 ebenfalls für unzuständig gehalten. Es hat sich an der Entscheidung über das Rechtsmittel gehindert gesehen, weil § 119 Abs. 1 GVG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht einschlägig sei. Mit Beschluss vom 14.8.2003 hat das LG die Angelegenheit dem OLG Oldenburg zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. 1. Die Entscheidung stützt sich auf § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Diese Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn zwei Gerichte unterschiedliche Ansichten über die Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren vertreten (BGH v. 16.5.1984 – IVb ARZ 20/84, MDR 1985, 36 = NJW 1985, 2537; NJW 1979, 719; NJW 1972, 111; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rz. 21).
2. Die Zuständigkeit des Senats zur Bestimmung des zuständigen Gerichts folgt aus § 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. dem Geschäftsverteilungsplan A I 5. ZS Buchst. d). Dem steht nicht entgegen, dass ein anderer Senat des OLG an dem Kompetenzstreit beteiligt ist (OLG Köln v. 6.11.1998 – 5 W 92/98, OLGReport Köln 1999, 143 = NJW-RR 1999, 1081; NJW 2001, 1499 [1500]).
3. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen ebenfalls vor: Beide beteiligten Gerichte haben sich „rechtskräftig für unzuständig erklärt”: Das LG Oldenburg hat die Angelegenheit mangels Zuständigkeit mit Beschluss vom 3.6.2003 an das erstinstanzliche AG Westerstede zurückgegeben; das OLG hat sich mit Beschluss vom 24.6.2003 für unzuständig erklärt. Beide Gerichte haben den Parteien ihre Entscheidungen auch bekannt gemacht.
4. Zuständig ist das LG Oldenburg, §§ 72, 119 GVG.
a) Die Neuregelung des Beschwerderechts durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001 (BGBl. I, S. 1887) hat an der grundsätzlichen Zuständigkeit der LG als Beschwerdeinstanz für die beim AG geführten Verfahren nichts geändert, § 72 GVG, sofern nicht ausnahmsweise eine Zuständigkeit des OLG nach § 119 GVG gegeben ist (OLG Hamm v. 23.5.2002 – 15 W 195/02, Rpfleger 2002, 638 [639]; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., Vorb. § 567 Rz. 3): Denn die ursprüngliche Konzeption, die Beschwerdeverfahren – wie die Berufungsverfahren – auf die OLG zu konzentrieren, ist im Gesetzgebungsverfahren gescheitert; als Kompromisslösung ist lediglich die Zuständigkeit des OLG durch die Neufassung von § 119 GVG erweitert worden (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., Vorb. § 567 Rz. 3; Wolf in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 119 GVG Rz. 1).
b) Die hier nur in Betracht kommende Regelung in § 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG weist den OLG die Zuständigkeit für Beschwerden gegen die Entscheidungen der AG in Streitigkeiten über Ansprüche zu, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hatte.
Maßgebend für die Auslegung einer Rechtsnorm sind der Wortsinn, der Bedeutungszusammenhang, die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Norm (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Einl. Rz. 35). Danach sind sofortige Beschwerden in Zwangsvollstreckungssachen den OLG nicht zur Entscheidung übertragen, auch wenn eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat.
aa) § 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG begründet die Zuständigkeit des OLG nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht etwa ganz allgemein für den Fall, dass eine Streitigkeit vorliegt, bei der eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat; vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass eine Streitigkeit über Ansprüche vorliegt, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden. Diese Voraussetzung ist sicher für das Erkenntnisverfahren gegeben. Im Zwangsvollstreckungsverfahren geht es hingegen nicht um das Recht einer Partei, von der anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 BGB), sondern um die Durchsetzung des erkannten Rechts zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers unter Mithilfe des Staates: also um einen Vollstreckungsanspruch des Gläubigers gegen den Staat, der von dem privatrechtlichen Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner zu unterscheiden ist (Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl., § 1 Rz. ...