Leitsatz (amtlich)

1. Der originäre Einzelrichter entscheidet gemäß § 568 ZPO auch dann über die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung des erstinstanzlichen Einzelrichters, wenn über die Nichtabhilfe die Kammer entschieden hat.

2. Die Beweislast für die fehlende Klageveranlassung nach § 93 ZPO trifft den Beklagten. Dies gilt auch, soweit der Beklagte sich im Rahmen der nach § 91a ZPO zu treffenden Billigkeitsentscheidung auf § 93 ZPO beruft.

3. Wird ein Zeugenbeweis erst nach Eingang der letzten schriftlichen Erledigungserklärung im Sinne von § 91a ZPO angeboten, bleibt dieses Beweismittel unberücksichtigt, da es nicht mehr Teil des "bisherigen

Sach- und Streitstandes" ist. Das Gericht braucht in diesem Fall auch keine Prognose zu dem voraussichtlichen Ergebnis einer Beweisaufnahme anzustellen. Es ist vielmehr nach Beweislastregeln zu entscheiden.

 

Normenkette

ZPO §§ 91a, 93, 568

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Aktenzeichen 12 O 2298/18)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters des Landgerichts Osnabrück vom 08.03.2019 wie folgt geändert:

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 2.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.

Gemäß § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet der Senat als Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder, weil die angefochtene Ausgangsentscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist.

Dem steht nicht entgegen, dass über die Nichtabhilfe die Kammer des Landgerichts in voller Besetzung entschieden hat. Zwar wird verschiedentlich vertreten, dass es für die Zuständigkeit gemäß § 568 ZPO nicht auf den Ausgangs-, sondern auf den Nichtabhilfebeschluss ankomme (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.01.2007 - 4 W 10/07 -, OLGR 2007, 372; KG, Beschl v. 16.11.2010 - 2 W 202/10 -, JurBüro 2011, 148).

Nach zutreffender herrschender Meinung ist jedoch unerheblich, wer über die Nichtabhilfe entschieden hat (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.09.2002 - 24 W 29/02, OLGR 2003, 187; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2003 - 1 W 70/03, OLGR 2004, 115; OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.07.2009 - 5 W 1104/09, MDR 2009, 1243; OLG Hamm, Beschl. v. 16.09.2010 - I-6 W 65/10, NJW-RR 2011, 238). Nach seinem Wortlaut knüpft § 568 ZPO an die angefochtene Entscheidung an. Damit ist die Ausgangsentscheidung gemeint. Das Beschwerderecht der Zivilprozessordnung setzt Ausgangs- und Nichtabhilfeentscheidungen auch nicht etwa gleich, sondern differenziert zwischen beiden Entscheidungen, wie sich aus dem Vergleich von § 568 ZPO und § 572 ZPO, der die Abhilfe- bzw. Nichtabhilfeentscheidung regelt, zeigt. Die Nichtabhilfeentscheidung schafft auch keine neue, selbständige Beschwer, sondern ist bloße Verfahrensvoraussetzung dafür, dass das Beschwerdegericht mit der beschwerenden Ausgangsentscheidung befasst wird.

Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen.

Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Als Folge dieser Regelung wird im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag geben, d. h. in der Regel wird derjenige die Kosten zu tragen haben, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO aufzuerlegen gewesen wären (Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 91a, Rz. 24 m. w. N.). Auch der Rechtsgedanke der fehlenden Klageveranlassung des Beklagten aus § 93 ZPO ist dabei anzuwenden (Zöller/Vollkommer, a. a. O. m. w. N.).

Der Beklagte wäre bei Fortführung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraussichtlich unterlegen. Dafür spricht, dass er dem Vorbringen des Klägers nicht entgegengetreten ist und dessen Forderung nach Klagerhebung erfüllt hat.

Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Beklagte aufgrund eines Anerkenntnisses in der Hauptsache unterliegt. Hiervon macht § 93 ZPO lediglich dann eine Ausnahme zugunsten des Beklagten, wenn dieser keine Veranlassung zur Klage gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat. In diesem Fall sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, obwohl er in der Hauptsache obsiegt hat.

Ist nach einem Anerkenntnis des Beklagten streitig, ob er Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, so trifft ihn die Beweislast für die fehlende Klageveranlassung (BGH, Beschl. vom 21.12.2006 - I ZB 17/06 -, MDR 2007,1162 = NJW 2007,3645; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.01.1995 - 19 W 18/94 -, NJW-RR 1996,62; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 93 ZPO, Rz. 5 Stichwort "Beweislast"; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 93 ZPO, Rz. 2; Münchener Kommentar/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 93 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge