Leitsatz (amtlich)
Die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr wird im Vergütungsfestsetzungsverfahren auch dann auf die gerichtliche Verfahrensgebühr angerechnet, wenn sie von der vermögenslosen Partei nicht beglichen werden konnte.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Beschluss vom 04.03.2008; Aktenzeichen 12 O 525/06) |
Tenor
Das Verfahren wird gem. § 568 ZPO zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den Beschluss des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 4.3.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger begehrt die Feststellung, dass im Rahmen der Vergütungsfestsetzung des beigeordneten Rechtsanwalts eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr nicht zu 0,75 auf die gerichtliche Verfahrensgebühr angerechnet wird.
Das Hauptsacheverfahren wurde durch Urteil vom 31.8.2007 beendet.
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 30.9.2007 hat die Urkundsbeamtin des LG die im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe dem Beschwerdeführer von der Landeskasse zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.136,21 EUR festgesetzt. In diesem Betrag ist u.a. die angefallene 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV in voller Höhe berücksichtigt. Auf die von der Bezirksrevisorin eingelegte Erinnerung wurde die Entscheidung geändert und die vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr zu 0,75 angerechnet, so dass sich ein Vergütungsanspruch i.H.v. nur noch 916,66 EUR ergab. Hiergegen legte nun der Prozessbevollmächtigte der Kläger Erinnerung ein. Mit Beschluss vom 4.3.2008 wies der Einzelrichter des LG Osnabrück diese Erinnerung zurück. Er verwies auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger wendet sich hiergegen mit der form- und fristgerechten Beschwerde. Er wendet ein, dass die Kläger wirtschaftlich nicht in der Lage seien, die Geschäftsgebühr zu bezahlen. Eine Anrechnung könne daher nicht bzw. nur in Höhe der Leistungen aus der Beratungshilfe erfolgen.
Der Einzelrichter des LG hat das Rechtsmittel ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß den §§ 56 Abs. 2, 33 RVG zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg. Zur Begründung nimmt der Senat auf die auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.
Es steht außer Streit, dass der Klägervertreter auch schon außergerichtlich in dieser Angelegenheit tätig war, so dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens aus Nr. 3100 RVG-VV zu erfolgen hat. Die Notwendigkeit der Anrechnung ergibt sich aus Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV. Ohne Bedeutung hierfür ist, ob die (vorgerichtliche) Geschäftsgebühr geltend gemacht oder gar realisiert wurde. Allein die Tatsache der Entstehung dieser Gebühr genügt für die dann zu erfolgende Anrechnung (so auch BGH, Beschluss vom 22.1.2008 in NJW 2008, 1332 m.w.N., LAG Düsseldorf, Beschluss v. 2.11.2007, 13 Ta 181/07, zitiert nach juris; vgl. auch Streppel in MDR 2008, 421 m.w.N.).
Die im Rahmen von Kostenfestsetzungsverfahren gegen diese Rechtsauffassung vorgetragenen Bedenken (vgl. KG, Beschluss v. 31.3.2008, AZ. 1 W 111/08, zitiert in juris) überzeugen nicht. Die geltende Gesetzeslage bietet für eine andere Auslegung der Anrechnungsregel keinen Raum.
Demnach hat die Anrechnung auch in den Fällen zu erfolgen, in denen - wie vorliegend - die Prozesspartei sogar Anspruch auf Beratungshilfe hätte.
Denn es kommt allein darauf an, ob die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV entstanden ist, nicht darauf, ob sie realisiert werden kann. Beratungshilfe haben die Kläger überdies weder beantragt noch ist sie ihnen von dem Klägervertreter gewährt worden. Letztlich folgt hieraus auch keine Benachteiligung der Kläger, denn im Falle der Gewährung von Beratungshilfe wäre auch die dann von der Landeskasse zu zahlende Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV Abs. 2 RVG zur Hälfte anzurechnen. Auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger erscheint durch die gesetzliche Regelung nicht unangemessen benachteiligt. Er kann seinen Gebührenanspruch durch einen Vorschuss und ggf. auch durch einen Beratungshilfeantrag rechtzeitig sichern. Würde man die Geschäftsgebühr nicht anrechnen, bestünde sogar die Möglichkeit, dass er neben dem festgesetzten Betrag des Vergütungsfestsetzungsverfahrens (inkl. voller Verfahrensgebühr) auch die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (durch einen bis dahin noch solventen Mandanten) erhält. Dies ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.
Die hier maßgeblichen Rechtsfragen zur Anrechnung der Geschäftsgebühr sind nach Auffassung des Senats durch die Entscheidung des BGH vom 22.1.2008 geklärt, so dass keine Veranlassung Bestand, die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen.
Fundstellen