Leitsatz (amtlich)
Allein die Tatsache, dass sowohl der in Anspruch genommene Arzt als auch der Sachverständige nebenberufliche Lehraufträge an derselben großen Universitätsklinik wahrnehmen, begründet keine Besorgnis der Befangenheit.
Verfahrensgang
LG Aurich (Beschluss vom 08.10.2007; Aktenzeichen 5 O 1178/06) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 20.10.2007 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Aurich vom 8.10.2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht mit der Behauptung, der Beklagte zu 1. habe sie arztfehlerhaft behandelt, gegen die Beklagen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Der Beklagte zu 1. ist Chefarzt der Allgemein- und Visceralchirurgie des H.-Krankenhauses in E., dessen Rechtsträgerin die Beklagte zu 2. ist. Der Beklagte zu 1. übt als Privatdozent gleichzeitig eine Lehrtätigkeit an der Medizinischen Hochschule H. aus. Nach seiner Habilitation in U. wurde er dorthin im Jahre 2003 für das Fachgebiet Chirurgie umhabilitiert.
Der von der 5. Zivilkammer des LG Aurich auf Vorschlag der Ärztekammer Niedersachsen eingesetzte medizinische Sachverständige Prof. Dr. R. ist Chefarzt der Chirurgischen Klinik I für Visceral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie des Klinikums Hi.. Auch der Sachverständige übt daneben eine Lehrtätigkeit im Fachgebiet Chirurgie der Medizinischen Hochschule H. aus. Er wurde nach seiner Habilitation an der Universität He. ebenfalls nach dorthin umhabilitiert.
Sowohl der Sachverständige als auch der Beklagte zu 1. werden im Vorlesungsverzeichnis der Medizinischen Hochschule H. geführt. Sie sind nach einer Stellungnahme des Sachverständigen jedoch weder miteinander bekannt, noch arbeiten sie an der Medizinischen Hochschule H. zusammen.
Die Klägerin stützt ihr Gesuch vom 2.8.2007, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, auf von ihr behauptete Mängel des Gutachtens und auf den Umstand, dass sowohl der Beklagte zu 1. als auch der Sachverständige neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als Chefärzte Lehrtätigkeiten an der Medizinischen Hochschule H. ausüben.
Die 5. Zivilkammer des LG Aurich hat das Gesuch mit Beschluss vom 8.10.2007 mit der Begründung zurückgewiesen, das bloße Kollegialitätsverhältnis zwischen dem Sachverständigen und dem Beklagten zu 1. reiche nicht aus, die Besorgnis einer Befangenheit anzunehmen. Für "eine enge berufliche oder wissenschaftliche Zusammenarbeit" lägen Anhaltspunkte nicht vor.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 20.10.2007.
II. Die gem. § 406 Abs. 5 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Aurich vom 8.10.2007 hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
Für die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit genügt jede Tatsache, die bei einer Partei ein auch nur subjektives Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann (BGH NJW 1975, 1363; BGH NJW-RR 1987, 893; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 406, Rz. 8). Dabei reichen rein subjektive Befürchtungen, ohne dass diese durch objektiv begründete Tatsachen gestützt wären, nicht aus. Subjektives Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Sachverständigen rechtfertigt nur dann dessen Ablehnung, wenn das Misstrauen von einem objektiven Standpunkt nachvollzogen werden kann (OLG München OLGReport München 1999, 215). Allein maßgeblich dabei ist die Sicht der Parteien (OLG München MDR 2002, 291).
Nach diesen Grundsätzen ist aus der Sicht der Klägerin eine Befangenheit des Sachverständigen nicht zu besorgen.
1. Grundsätzlich kann eine enge berufliche Zusammenarbeit zwischen dem Sachverständigen und einer der Parteien die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Laufs(Uhlenbruck/Schlund, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 120, Rz. 5). Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus dieser engen Zusammenarbeit ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis ergibt (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 704). Auch eine enge und nicht nur zeitlich weit zurückliegende wissenschaftliche Zusammenarbeit kann hinreichender Anlass für die Besorgnis einer Befangenheit sein (OLG Düseldorf, MDR 2005, 42; OLG Köln VersR 1993, 72). Beschränkt sich die Zusammenarbeit zwischen dem Sachverständigen und einer Partei hingegen auf einen nur "losen" beruflichen Kontakt, ist eine Besorgnis der Befangenheit in der Regel nicht gerechtfertigt (OLG Frankfurt, MEDSACH 2005, 173 m.w.N.; Martis/Winkhart, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 1. und der Sachverständige an der derselben Hochschule einer akademischen Lehrverpflichtung nachkommen, reicht für ein - auch nur subjektives - Misstrauen an der Unparteilichkeit des Sachverständigen nicht aus. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Partei und der Sachverständige keinerlei persönlichen Kontakt zueinander haben, d.h. weder miteinander bekannt sind noch in unmittelbar...