Leitsatz (amtlich)
Die im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu erstattenden Kosten erfassen die Prozessgebühr eines Rechtsanwalts auch dann, wenn er zunächst eine Verteidigungsanzeige eingereicht, Prozesskostenhilfe aber erst mit der anschließenden Klageerwiderung beantragt hat.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Beschluss vom 18.10.2006; Aktenzeichen 13 T 904/06) |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors des LG Oldenburg gegen den Beschluss des LG Oldenburg vom 18.10.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beklagten hatten in erster Instanz zunächst mit anwaltlichem Schriftsatz ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt, ohne Prozesskostenhilfe zu beantragen. Mit weiterem Schriftsatz erwiderten sie auf die Klage und beantragten Prozesskostenhilfe, die das AG bewilligte. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat nach Abschluss des Verfahrens u.a. die Festsetzung der Verfahrensgebühr von 410,17 EUR inkl. MwSt. beantragt. Dies hat die zuständige Kostenbeamtin mit der Begründung abgelehnt, dass Prozesskostenhilfe erst auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirke, so dass die zu diesem Zeitpunkt bereits entstandene Verfahrensgebühr hiervon nicht erfasst sei. Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das AG den Festsetzungsbeschluss aufgehoben und die Kostenbeamtin angewiesen, die Verfahrensgebühr wie beantragt festzusetzen. Dagegen hat der Bezirksrevisor des LG Oldenburg Beschwerde eingelegt, die das LG mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verfahrensgebühr die anwaltliche Tätigkeit während des gesamten Verfahrens pauschal abgelte, so dass der Tatbestand der Verfahrensgebühr immer wieder neu verwirklicht werden könne. Entscheidend sei daher, dass auch nach Beantragung der Prozesskostenhilfe noch die Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeiten vorgenommen würden. Das sei hier der Fall. Wegen der grundsätzlichem Bedeutung hat das LG die weitere Beschwerde zugelassen.
Gegen die Entscheidung des LG richtet sich die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors. Er hält an seiner Auffassung fest, dass aus dem Umstand, dass Prozesskostenhilfe erst ab Antragstellung bewilligt werden könne, folge, dass Gebühren, die zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden seien, nicht mehr von der Prozesskostenhilfe erfasst werden könnten. Er verweist insoweit u.a. auf eine Entscheidung des OLG Oldenburg vom 17.2.2006 (4 WF 29/06). Das entspreche auch der Systematik des RVG. Nur in § 48 RVG-VV sei ein Fall aufgeführt, in dem der Rechtsanwalt ausnahmsweise Gebühren aus der Landeskasse für eine Tätigkeit erhalte, die bereits vor Antragstellung erfolgt sei. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. Es sei einer bedürftigen Partei auch zuzumuten, den PKH-Antrag bereits mit der Verteidigungsanzeige zu verbinden. Etwaige Versäumnisse des Rechtsanwalts könnten nicht zu Lasten der Landeskasse gehen.
Der Bezirksrevisor beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts auf (nur) 717,35 EUR festzusetzen.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2 Nr. 1, 33 Abs. 6 RVG); in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält aus der Staatskasse alle Gebühren, die nach Eingang des PKH-Antrags abermals oder neu entstehen, ohne Rücksicht auf seine vorangegangene Tätigkeit. Es muss jedoch eine gebührenauslösende Tätigkeit nach der Antragstellung feststellbar sein (vgl. Göttlich/Mümmler, RVG, 2. Aufl., S. 745 Anm. 5.2 zu "Prozesskostenhilfe"; von Eicken in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG, 16. Aufl., § 48 Rz. 106; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 119 Rz. 50 m.w.N.). Nur Gebühren, die (ausschließlich) vor der Antragstellung entstanden sind, erhält der Rechtsanwalt nicht aus der Staatskasse (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1994, 352; Zöller/Philippi, a.a.O.). Da die Verfahrensgebühr bereits mit jeder Tätigkeit entsteht, die ein Rechtsanwalt aufgrund des Prozessführungsauftrages vornimmt, also auch schon für die Einholung einer Erstinformation (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 48 RVG Rz. 91), wäre es einer bedürftigen Partei, worauf auch das LG zu Recht hingewiesen hat, kaum möglich, für die Verfahrensgebühr Prozesskostenhilfe zu erhalten, da die Beauftragung des Rechtsanwalts und die Erstinformation des Mandanten regelmäßig erfolgt, noch bevor sich der Rechtsanwalt zur Gerichtsakte gemeldet hat. Nach der Rechtsprechung des BGH geht eine Tätigkeit vor der Beiordnung in derjenigen nach der Beiordnung auf, so dass es nur auf die letztere Tätigkeit ankommt (vgl. BGH v. 13.11.1991 - VIII ZR 187/90, BRAK 1992, 176 = MDR 1992, 416 = AnwBl. 1992, 191). Die Verfahrensgebühr ist deshalb aus der Staatskasse zu erstatten, wenn und soweit der Anwalt auch nach Eingang des PKH-Antrags insoweit noch gebührenauslösende Tätigkeiten entfaltet hat (vgl. auch Mümmler, JurBüro 1990, 204, 205 m.w.N.). Aus diesem Grunde kann ein Rechtsanwalt von einer Partei gem. § 122 I Nr. 3 ZPO bei...