Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsprivileg. Anpassung des Versorgungsausgleichs wegen laufender Unterhaltsleistungen des Ausgleichspflichtigen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Anpassung des Versorgungsausgleichs nach §§ 33, 34 VersAusglG wegen laufender Unterhaltsleistungen des Ausgleichspflichtigen ist der Versorgungsträger an einen Unterhaltsvergleich der Ehegatten gebunden, solange dies nicht zu einer erheblichen Benachteiligung des Versorgungsträgers führt.
2. Bei der Bestimmung des Unterhalts durch Vergleich ist den Ehegatten ein gewisser Spielraum zuzubilligen, und zwar auch im Hinblick auf die Frage, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt eine Versagung oder Beschränkung des Unterhalts nach § 1579 BGB in Betracht kommt.
Normenkette
BGB § 1579; VersAusglG §§ 33-34
Verfahrensgang
AG Nordhorn (Beschluss vom 27.07.2011) |
Tenor
Auf die Beschwerde der W. wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nordhorn vom 27.7.2011 unter Zurückweisung des weiteren Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kürzung der von dem Antragsteller bei der W. bezogenen Versorgung (...) wird ab dem 1.8.2011 i.H.v. monatlich 650 EUR ausgesetzt.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren beträgt 4.500 EUR.
Gründe
I. Die Beschwerde der W. richtet sich gegen die Aussetzung der Kürzung der laufenden Versorgungsbezüge des geschiedenen Ehemanns bei ihr.
Durch Scheidungsverbundbeschluss vom 6.6.2011 hat das AG den Versorgungsausgleich durchgeführt und zu Lasten der Anwartschaften des Ehemanns bei dem beschwerdeführenden Versorgungsträger ein Anrecht i.H.v. 865,77 EUR übertragen. Zu Lasten der Anwartschaften der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung wurden 2,7431 Entgeltpunkte (was zum Ende der Ehezeit einer monatlichen Rente von 74,61 EUR entspricht) übertragen. Die Ehescheidung ist rechtskräftig seit dem 12.7.2011.
Durch Vergleich vom 6.6.2011 im gesonderten Verfahren zur Geschäftsnummer 11 F 40/11 des AG Nordhorn haben die Eheleute die Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente i.H.v. 650 EUR zugunsten der Ehefrau vereinbart, wobei dieser Betrag bis zum 31.12.2011 gezahlt werden sollte. Für die folgende Zeit ab 1.1.2012 sollte der Unterhalt neu berechnet und möglichst einvernehmlich vereinbart werden. Mit dem am 29.6.2011 gestellten und am selben Tag eingegangenen Antrag hat der Antragsteller beantragt, die Kürzung seiner Versorgungsbezüge um den vereinbarten Unterhaltsbetrag zunächst bis zum 31.12.2011 auszusetzen. Die Antragsgegnerin hat sich dem angeschlossen. Der Antragsteller bezieht eine laufende Versorgung von dem beschwerdeführenden Versorgungsträger. Die Antragsgegnerin ist noch nicht im Rentenbezug.
Durch den angefochtenen, hiermit wegen der Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat das AG die im Scheidungsbeschluss angeordnete Durchführung des Versorgungsausgleichs in der Form, dass ein Anrecht von monatlich 865,77 EUR, bezogen auf das Ehezeitende am 31.10.2010 zu übertragen ist, für die Zeit ab dem 1.7.2011 ausgesetzt. Der von dem Antragsteller geschuldete Unterhalt entspreche dem zeitlich kurz vor der Antragstellung auf Anpassung des Versorgungsausgleich dem im gesonderten Unterhaltsverfahren errechneten und von den Eheleuten vereinbarten Betrag von 650 EUR. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den angefochtenen Beschluss und die darin enthaltene Unterhaltsberechnung Bezug genommen. Bei der Entscheidung über die Aussetzung der Kürzung sei das Gericht in zeitlicher Hinsicht nicht an die Antragstellung (vorläufig bis 31.12.2011) gebunden, da § 308 ZPO nicht gelte. Auch sei im Beschluss kein Ende der Aussetzung anzuordnen, da hierüber der Versorgungsträger nach § 34 Abs. 6 FamFG selbständig entscheide.
Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde macht der beschwerdeführende Versorgungsträger folgende Einwände geltend:
Nach dem Beschlusstenor habe das AG die volle Aussetzung des Versorgungsausgleichs angeordnet, ohne dies betragsgemäß zu begrenzen. Eine Aussetzung der Kürzung dürfe nach § 33 VersAusglG nur in Höhe des zu leistenden Unterhalts angeordnet werden. Eine Aussetzung könne noch nicht ab 1.7.2011 erfolgen. Da die Entscheidung zum Versorgungsausgleich erst am 12.7.2011 rechtskräftig geworden sei und Versorgungsbezüge erst ab 1.8.2011 einbehalten werden dürften, könne eine Aussetzung der Kürzung erst ab diesem Zeitraum erfolgen. In Bezug auf die Höhe des Unterhalts ergäben sich Bedenken: Die bei dem unterhaltspflichtigen Antragsteller berücksichtigen Krankenversicherungskosten von 48 EUR seien geringer als sonst übliche Beiträge von 150 bis 250 EUR monatlich. Es sei unklar, was unter den Einkommenspositionen "anteiliger Ausgleichsbetrag" und "weiterer anteiliger Ausgleichsbetrag" zu verstehen sei, die mit einem Monatsbetrag von 44 EUR und 144 EUR als Einkommensbestandteile auf Seiten des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt worden seien. Handele es sich ...