Leitsatz (amtlich)
Die Teilnahme an einem sog. Fanmarsch in einer belebten Innenstadt, bei dem Hassparolen skandiert werden, kann nach § 118 OWiG ordnungswidrig sein.
Normenkette
OWiG § 118
Verfahrensgang
AG Osnabrück (Entscheidung vom 17.04.2015) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Osnabrück vom 17.04.2015 im Schuldspruch bezüglich des subjektiven Tatbestandes und im Rechtsfolgenausspruch -insoweit jeweils mit den zugrundeliegenden Feststellungen- aufgehoben.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht dem Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu einer Geldbuße von 100,- € verurteilt. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte nahm am 23.08.2014 an einem nicht genehmigten sogenannten Fanmarsch teil. Dieser wurde durch Fußballfans des VFL ........... anlässlich eines Heimspiels gegen den in Rivalität stehenden SC ..................... unangemeldet und ungenehmigt durchgeführt, was dem Angeklagten bekannt war.
Der Marsch führte durch die Osnabrücker Innenstadt über den Nikolaiort, am Theater vorbei, auf die ........................Straße in Richtung des Stadions.
Bereits auf dem Nikolaiort wurden durch Teilnehmer des Marsches die Parole "Tod und Hass dem SCP!" skandiert. Hierdurch wurden Passanten in angrenzenden Cafés erschreckt und irritiert.
Auf dem Weg zum Theater/Domhof wurden die Parolen "Münster-Hurensöhne!" sowie "Was machen wir mit den Preußenschweinen? Wir hauen ihnen auf die Schnauze!" skandiert.
Als der Marsch vor dem Theater hielt wurde über Megaphon unterstützt die Parole "Wollt ihr Verlängerung? Nein! Wollt ihr Elfmeterschießen? Nein! was wollt ihr denn? Preußenblut! Preußenblut!" abgesungen.
Insbesondere ältere Passanten am Ort des Geschehens fühlten sich hierdurch verunsichert und sprachen auch anwesende Polizeibeamte darauf an. Dabei war die Fußgängerzone reichlich belebt, da sowohl die Geschäfte geöffnet waren als auch der Wochenmarkt auf dem angrenzenden Platz stattfand.
Auf dem Weitermarsch wurden durch Teilnehmer Pyrotechnische Erzeugnisse abgebrannt. Unterhalb der Eisenbahnunterführung der .............war die hierdurch entfachte Rauchentwicklung so stark, dass Autofahrer anhalten mussten, um Unfälle zu vermeiden."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Er macht geltend, dass der Tatbestand des § 118 OWiG nicht erfüllt sei und der Marsch dem Schutz des Versammlungsgesetzes unterfalle. Darüber hinaus lasse das angefochtene Urteil Ausführungen zum subjektiven Tatbestand vermissen.
Der zunächst zuständige Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Die Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Sie führt im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand und damit auch im Rechtsfolgenausspruch zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.
Der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt erfüllt allerdings den objektiven Tatbestand des § 118 OWiG. Danach handelt ordnungswidrig, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
Die vorgenannten Tatbestandsmerkmale lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen. Sie sollen insgesamt den Tatbestand dahin einschränken, dass nicht jede grob ungehörige Handlung und nicht jede Handlung, die gegen die öffentliche Ordnung verstößt, mit Geldbuße bedroht ist (Rebmann/Roth/Hermann (= RRH), Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Stand Januar 2015, § 118 Rdn. 4).
Eine grob ungehörige Handlung liegt dann vor, wenn sich das Tun oder Unterlassen bewusst nicht in die für das gedeihliche Zusammenleben der jeweiligen Rechtsgemeinschaft erforderliche Ordnung einfügt und dadurch in deutlichem Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung steht. Grob ungehörig ist die Handlung dabei erst dann, wenn sie in einer Weise gegen die anerkannten Regeln von Sitte, Anstand und Ordnung verstößt, dass dadurch eine unmittelbare psychische oder physische Belästigung oder Gefährdung der Allgemeinheit und gleichzeitig eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung in Betracht kommt (Karlsruher Kommentar OWiG (=KK) 4. Aufl. - Senge, § 118 Rdn. 6).
Durch das Skandieren bzw. Absingen der vom Amtsgericht festgestellten Hassparolen sind die anerkannten Regeln von Sitte, Anstand und Ordnung in erheblicher Weise verletzt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Parolen mitten in der Osnabrücker Innenstadt zu einer Zeit, als dort u.a. der Wochenmarkt stattfand, dabei teilweise in der Lautstärke durch Megafone unterstützt, verbreitet worden sind.
Durch den ...