Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung, wenn die Zustimmung des "rechtlichen" Vaters erst nach Ablauf der Frist des § 1599 Abs. 2, Satz 1 BGB erklärt wurde.
Verfahrensgang
AG Osnabrück (Beschluss vom 29.03.2010; Aktenzeichen 37 III 56/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Standesamtes Melle gegen den Beschluss des AG Osnabrück vom 29.3.2010 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Kind C. B. wurde am ... 2006 geboren, beurkundet beim Standesamt M. Nr ... Zu diesem Zeitpunkt war seine Mutter noch mit dem Beschwerdegegner verheiratet. Ihre Ehe wurde auf den am 25.4.2006 beim AG Osnabrück eingereichten Antrag am 22.3.2007 geschieden. Das Scheidungsurteil ist seit dem 19.5.2007 rechtskräftig.
Der leibliche Vater des Kindes ist A. R. (vormals B.). Er erkannte am 15.6.2006 beim Standesamt M. die Vaterschaft an. Am gleichen Tag stimmte die Mutter dem Anerkenntnis zu. Die formgemäße Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung durch den Beschwerdegegner erfolgte am 16.7.2009 beim Standesamt H..
Mit Schreiben vom 6.8.2009 lehnte die Standesbeamtin des Standesamtes M. ab, die Vaterschaftsanerkennung dem Geburtseintrag beizuschreiben, weil die am 16.7.2009 erteilte Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung nicht binnen eines Jahres nach Rechtskraft des Scheidungsurteils (§ 1599 Abs. 2 BGB) abgegeben worden sei.
Dagegen beantragte der Beschwerdegegner gerichtliche Entscheidung gem. § 49 Abs. 1 PStG.
Das AG Osnabrück hat durch Beschluss vom 29.3.201 daraufhin erkannt, dass die Eintragung im Geburtenbuch der Standesamtes M. Jahrgang 2006 Urkunde Nr ... durch Beischreibung des folgenden Vermerks zu berichtigen sei: Auf Anordnung des AG Osnabrück vom 29.3.2010 wird berichtigend vermerkt, dass Vater des Kindes nicht DA. B., sondern A. R. (vormals B.),... ist. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass die Zustimmung des "rechtlichen" Vaters gem. § 1599 Abs. 2 S. 2 BGB nicht der Jahresfrist des § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB unterliege.
Gegen diesen Beschluss hat das Standesamt M. unter dem 16.4.2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeführer ist weiterhin der Ansicht, dass die Vaterschaftsanerkennung nicht wirksam sei, da die Zustimmung des Mannes, mit dem die Mutter verheiratet war, verspätet abgegeben worden sei.
Der Beschwerdegegner hat beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Das LG Osnabrück hat zunächst durch Beschluss vom 9.6.2010 die sofortige Beschwerde des Standesamtes M. gegen den Beschluss des AG Osnabrück vom 29.3.2010 auf seine Kosten zurückgewiesen. Nachdem der Beschwerdeführer nach § 44 FamFG gerügt hat, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden sei, hat das LG mit Beschluss vom 5.8.2010 den Beschluss vom 9.6.2010 aufgehoben und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist gem. §§ 48 ff. PStG statthaft.
Das LG hat zwar rechtsfehlerhaft auf die Rüge durch den Beschwerdeführer, dass ein nicht zuständiges Gericht die Beschwerdeentscheidung getroffen habe, gem. § 44 FamFG das Verfahren fortgeführt. Die Anwendung des § 44 FamFG setzt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör voraus und ist nicht - auch nicht analog - auf Fälle anderer Grundrechtsverletzungen, z.B. der Verletzung des Art. 101 GG (gesetzlicher Richter) anzuwenden (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, FamFG § 44 Rz. 30). Mit der Gehörsrüge nach § 44 FamFG kann daher nicht die Entscheidung über eine Beschwerde durch ein nicht zuständiges Gericht geltend gemacht werden. Nachdem das LG dennoch seinen zuvor gefassten Beschluss vom 9.6.2010 aufgehoben hat, ist nunmehr der erkennende Senat gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen.
In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
Das AG hat in seinem Beschluss vom 29.3.2010 die Vaterschaftsanerkennung zu Recht für wirksam erachtet.
Das Kind C. B. wurde zwischen der Anhängigkeit des Scheidungsantrages und der Rechtskraft des Urteils, durch welches die Ehe der Mutter des Kindes mit dem Beschwerdegegner geschieden wurde, geboren. Aufgrund der gem. § 1599 Abs. 2 S. 3 BGB frühestens mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wirksamen Anerkennung der Vaterschaft durch A. R. greift die Vermutung des § 1592 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wonach der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes noch mit dessen Mutter verheiratete Beschwerdegegner der Vater des Kindes ist, nicht (§ 1599 Abs. 2 S. 1 BGB). Vielmehr ist aufgrund der wirksamen Vaterschaftsanerkennung durch A. R. dieser gem. § 1592 Nr. 2 BGB der Vater des Kindes.
Die Anerkennung der Vaterschaft durch A. R. ist gem. §§ 1594 ff. BGB wirksam, obwohl der Beschwerdegegner seine Zustimmung erst über zwei Jahre nach der Rechtskraft des Scheidungsurteils formgerecht erklärt hat. Denn die gem. § 1599 Abs. 2 S. 2 BGB erforderliche Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ...