Leitsatz (amtlich)

Ist in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Rechtsmittelbelehrung inhaltlich fehlerhaft (hier: Angabe einer falschen Rechtsmittelfrist), kommt auch bei einer anwaltlichen Vertretung die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 17 FamFG in Betracht.

Die Ursächlichkeit der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung für die Fristversäumung kann hier nicht verneint werden, wenn der anwaltliche Verfahrensbevollmächtigte von der Richtigkeit der in der Rechtsmittelbelehrung genannten Rechtsmittelfrist ausgegangen ist.

Die Verschuldensvermutung nach § 17 Abs. 2 FamFG ist widerlegbar.

Sie kann bei fehlerhafter Angabe der Rechtsmittelfrist in der gerichtlichen Rechtsmittelbelehrung nur dann als widerlegt angesehen werden, wenn die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen Angaben für den Rechtsanwalt ohne weiteres, also auch ohne nähere Rechtsprüfung, erkennbar war und insoweit von einem seitens des Gerichts gesetzten Vertrauenstatbestand nicht ausgegangen werden kann.

 

Verfahrensgang

AG V. (Aktenzeichen 2 Lw 225/10)

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1 wendet sich mit der Beschwerde gegen Auflagen, die mit einer Genehmigung eines Hofübergabevertrags verbunden worden sind.

Durch notariellen Vertrag vom 11.11.2010 vereinbarte der Beteiligte zu 1 mit dem Beteiligten zu 3 die Übertragung des im Beschlusseingang bezeichneten Hofs auf den Beteiligten zu 3. Der Beteiligte zu 1 behielt sich in dem Vertrag zu seinen Gunsten und zugunsten seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2, ein Altenteilsrecht vor, bestehend aus einem Wohnungsrecht und einer monatlichen Rente von 3250 EUR bzw. von 1750 EUR beim Tod eines Elternteils. Nach der notariellen Vereinbarung sollen von der Übertragung des Hofes, der eine Größe von ca. 53,3 ha hat, einige Waldgrundstücke zur Größe von ca. 2 ha sowie Ackerland zur Größe von 2,7671 ha ausgenommen werden; hinsichtlich der Waldgrundstücke ist eine schenkweise Übertragung auf den Beteiligten zu 3 im Zeitpunkt des Todes des Beteiligten zu 1 vorgesehen, hinsichtlich der nicht mit übertragenen Ackerfläche ist der Beteiligte zu 1 keine vertragliche Bindung eingegangen. Die Ackerfläche ist bis auf weiteres dem Beteiligten zu 3 zur Bewirtschaftung überlassen worden.

Gegen diese Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts, die mit einer Rechtsmittelbelehrung dahingehend versehen war, dass das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig ist und diese innerhalb einer Frist von einem Monat beim AG V. einzulegen sei, und die dem Beteiligten zu 1 am 11.5.2011 zugestellt worden ist, hat der Beteiligte zu 1 mit einem am 10.6.2011 beim AG V. eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.

Nach einem Hinweis des Berichterstatters des Senats auf die hier eventuell geltende Beschwerdefrist von zwei Wochen gem. § 63 Abs. 2 FamFG stellt der Beteiligte zu 1 vorsorglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist.

Er führt hierzu aus, dass er bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten auf die Richtigkeit der erteilten gerichtlichen Rechtsbehelfsbelehrung vertraut hätten und die Versäumung der Frist aus § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ausschließlich auf der inhaltlich falschen Rechtsbehelfsbelehrung des AG beruht habe.

II.1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist nach §§ 9 LwVG, 58 Abs. 1 FamFG zulässig.

a) Es ist allerdings die Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG nicht eingehalten worden.

Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen einen Beschluss richtet, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat. Dies ist bei dem hier angegriffenen Beschluss über die Genehmigung des Hofübergabevertrags ersichtlich der Fall.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 kann es hier nicht darauf ankommen, ob die vom Gesetzgeber für maßgebend gehaltenen Gründe für die Verkürzung der Beschwerdefrist, nämlich der Gesichtspunkt eines wünschenswerten schnellen Eintritts der Rechtskraft, auch in der konkreten Rechtsanwendung eingreifen. Im Rahmen der aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gebotenen Typisierung muss die Sonderregelung nach ihrem insoweit klaren Inhalt - ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls - alle Beschlüsse erfassen, die eine (erteilte oder versagte) Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand haben.

Danach galt hier eine Beschwerdefrist von zwei Wochen, die der Beteiligte zu 1 unzweifelhaft nicht eingehalten hat.

b) Wegen der Versäumung der Beschwerdefrist ist dem Beteiligten zu 1 jedoch auf seinen vorsorglich gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 9 LwVG, 17, 18 FamFG zu gewähren.

Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 1 - wie in § 17 Abs. 1 FamFG vorausgesetzt - ohne eigenes oder ihm zuzurechnendes Verschulden seines anwaltlichen Vertreters an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war.

Nach § 17 Abs. 2 FamFG wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn die nach §§ 9 LwVG, 39 FamFG vorgesehene Rechtsbehelfsbeleh...

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