Leitsatz (amtlich)

1. § 630 Abs. 2 S. 2 BGB gewährt dem Patienten u.U. auch einen Anspruch auf eine Erklärung des Behandlers, dass für ihn keine Umstände erkennbar sind, welche die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen können (sog. Negativauskunft).

2. Gibt der Behandler eine entsprechende Erklärung erst in der mündlichen Verhandlung ab, ist regelmäßig eine Aufhebung der Kosten nach beiderseitiger Erledigungserklärung angemessen.

 

Normenkette

BGB § 630 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Beschluss vom 12.06.2015; Aktenzeichen 8 O 177/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Oldenburg vom 12.6.2015 dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beklagte leitete als behandelnder Arzt am 10.4.2014 die Geburt der Klägerin, die per Kaiserschnitt erfolgte. Einen Tag später wurde bei der Klägerin eine Fermurfraktur sowie eine Verletzung des Fermurs links diagnostiziert.

Die Klägerin bat den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 25.9.2014, 3.11.2014 und 15.1.2015 unter Berufung auf § 630c BGB um Mitteilung, ob der Beklagte von einem Behandlungsfehler ausgehe. Der Beklagte reagierte jedoch nicht.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe ihren Eltern unmittelbar nach der Geburt mitgeteilt, dass "etwas schiefgegangen sei".

Sie hat den Antrag gestellt, den Beklagten zu verurteilen, an sie Auskunft zu erteilen, inwieweit für ihn Umstände erkennbar sind, die die Annahme eines Behandlungsfehlers im Zusammenhang mit ihrer Geburt am 10.4.2014 begründen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, den Eltern direkt nach der Geburt mitgeteilt zu haben, dass es weder Anhaltspunkte für eine Traumatisierung während des Kaiserschnitts gebe noch postoperativ zu einer Situation gekommen sei, die die Fraktur verursacht haben könnte. Ihm seien keine Umstände bekannt, die auf einen Behandlungsfehler hindeuteten.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2015 hat das LG den Beklagten auf Antrag der Klägerin gem. § 445 Abs. 1 ZPO als Partei vernommen. Daraufhin hat die Klägerin den Rechtstreit im Hinblick auf die am 12.6.2015 erteilten Angaben des Beklagten für erledigt erklärt. Der Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung an.

Mit Beschluss vom 12.6.2015 hat das LG O. die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt, da nach den überzeugenden Angaben des Beklagten für ihn keine Umstände für einen Behandlungsfehler erkennbar gewesen seien und ihn eine Recherchepflicht nicht treffe.

Gegen diesen Beschluss, welcher der Klägerin am 29.6.2015 zugestellt worden ist, richtet sich ihre sofortige Beschwerde vom 7.7.2015. Das LG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte auf ihre Auskunftsbegehren überhaupt nicht hätte reagieren müssen. Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.7.2015 nicht abgeholfen, sondern sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Der Beklagte beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 91a Abs. 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes gegeneinander aufzuheben.

Bei der nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung ist der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 9.6.2010 - XII ZR 183/08, Rz. 2; BGH, Beschl. v. 1.3.2007 - I ZR 249/02, Rz. 12 m.w.N., jeweils zitiert nach juris). Maßgeblich ist, ob die Klage Erfolg gehabt hätte, wenn es nicht zum erledigenden Ereignis gekommen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2015 - VII ZR 254/14, Rz. 6, zitiert nach juris).

1. Zur Erledigung des Rechtsstreits hat die Vernehmung des Beklagten als Partei in der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2015 geführt.

Der Beklagte hat in dieser Vernehmung angegeben, sich nicht erklären zu können, wie es bei dem routinemäßig und ohne Hektik durchgeführten Kaiserschnitt zu einer Fraktur des Fermurs der Klägerin gekommen sein könnte. Auch nach der Geburt sei ihm nichts aufgefallen, was die Verletzung verursacht haben könnte. Damit hat der Beklagte die Klägerin darüber informiert, das für ihn keine Umstände i.S.v. § 630c Abs. 2 S. 2 BGB erkennbar waren, die einen Behandlungsfehler begründen. Zuvor hat er bereits in der Klageerwiderung vom 29.5.2015 mitgeteilt, dass ihm keine Umstände bekannt seien, die auf einen Behandlungsfehler schließen lassen könnten und damit den Auskunftsanspruch der Klägerin erfüllt. Ohne diese am 29.4.2015 erteilte Auskunft wäre die Klage weiterhin erfolgversprechend gewesen.

a) Die Auskunftspflicht aus § 630c Abs. 2 S. 2 BGB umfasst auch die Mitteilung an den nachfragenden Patienten, dass für den Behandelnden keine behandlungsfehlerbegründende Umstände er...

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