Leitsatz (amtlich)

Ein Prozessvergleich, in dem keine ausdrückliche Regelung zur Abgeltung der Geschäftsgebühr getroffen wird, stellt weder eine Erfüllung noch einen Vollstreckungstitel i.S.v. § 15a RVG dar.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Beschluss vom 13.08.2010; Aktenzeichen 8 O 3385/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Oldenburg vom 13.8.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 600 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Beklagten vor dem LG Oldenburg wegen einer angeblich fehlerhaften ärztlichen Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Im Dezember 2008 hat sie für den Rechtsstreit Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... beantragt. Die nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugestellte Klage enthält die Anträge, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld - mindestens jedoch 10.000 EUR - nebst Zinsen zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr "sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen", die ihr aus der behaupteten fehlerhaften ärztlichen Behandlung "entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind".

Am 29.1.2010 haben die Parteien vor dem LG einen Prozessvergleich geschlossen. Darin haben die Beklagten zu 1) und 2) sich als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Klägerin "zur Abgeltung der [...] geltend gemachten Forderungen im Zusammenhang mit der Operation vom 5.1.2005" einen Betrag i.H.v. 12.000 EUR zu zahlen. Weiter wurde vereinbart, dass damit "alle evtl. Ansprüche aus dieser Operation vom 5.1.2005 und der entsprechenden Behandlung" erledigt seien, "auch insoweit wie sie noch nicht erkennbar geworden sind oder in Zukunft erst auftreten". Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs haben die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu 2/3 und die Klägerin zu 1/3 übernommen.

In der Folge hat Rechtsanwalt ... i gem. § 126 Abs. 1 ZPO beantragt, die Kosten gegen die Beklagten festzusetzen. Dabei hat er anfänglich - u.a. - eine 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV-RVG und eine um die hälftige Geschäftsgebühr verringerte 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV-RVG in Ansatz gebracht. Nachdem die Beklagten darauf hingewiesen hatten, dass außergerichtlich entstandene Gebühren nicht festsetzungsfähig seien, hat er den Antrag auf Festsetzung der Geschäftsgebühr zurückgenommen und stattdessen eine 1,3-Verfahrensgebühr in voller Höhe geltend gemacht.

Diesen Ansatz hat die Rechtspflegerin in ihren Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.8.2010 übernommen.

Dagegen haben die Beklagten sofortige Beschwerde erhoben. Sie nehmen den Standpunkt ein, dass auf die Verfahrensgebühr eine 0,65-Geschäftsgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer hätte angerechnet werden müssen. Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 11 Abs. 1 RpflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig. Da sie darauf abzielt, die Kostenlast der Beklagten zu verringern, wertet der Senat sie - trotz des nicht eindeutigen Wortlauts der Beschwerdeschrift - als ein namens und in Vollmacht der Beklagten eingelegtes Rechtsmittel.

III. In der Sache musste der sofortigen Beschwerde der Erfolg versagt bleiben. Die Rechtspflegerin hat es zu Recht abgelehnt, bei der Festsetzung der von den Beklagten zu erstattenden Kosten die Geschäftsgebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr des streitigen Verfahrens anzurechnen.

1. Maßgebend ist § 15a RVG. Diese Regelung ist zwar erst in Kraft getreten, nachdem die Klägerin ihren Bevollmächtigten bereits beauftragt hatte, nämlich am 5.8.2009. Doch stellt § 15a RVG eine bloße Klarstellung der schon zuvor bestehenden Rechtslage dar und findet deshalb auch Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- beziehungsweise Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5.8.2009 erfolgt war (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2010 - XII ZB 177/09, JurBüro 2010, 420; Beschl. v. 17.6.2010 - V ZB 176/09, AGS 2010, S. 459 f., jeweils m.w.N.).

2. Die Vorschrift des § 15a RVG behandelt in ihrem Abs. 1 lediglich das Innenverhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Auftraggeber. Prinzipiell wirkt sich daher die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aus.

Diesen Grundsatz schränkt § 15a Abs. 2 RVG unter bestimmten - abschließend beschriebenen - Voraussetzungen ein, um im Außenverhältnis sicherzustellen, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz und Erstattung in Anspruch genommen werden kann, den der Anwalt von seinem Mandanten verlangen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101, 3102 m.w.N.). Vorgesehen ist eine Anr...

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