Leitsatz (amtlich)
1. Auch das mit dem Ausgangsverfahren befasste Berufungsgericht ist Prozessgericht im Sinne des § 8 Abs. 1 KapMuG.
2. Zur Abhängigkeit der Entscheidung des Ausgangsverfahrens von den im Musterverfahren geltend gemachten Feststellungszielen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG) unter Berücksichtigung des Verfahrensstands des Ausgangsverfahrens im Berufungsrechtszug und der dabei gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zu beachtenden Bindungswirkungen.
3. Eine Abhängigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG besteht nicht, wenn und soweit Gegenstand des Ausgangsverfahrens nicht dieselbe Kapitalmarktinformation wie im Musterverfahren, sondern lediglich eine ähnliche, teilweise wortlautidentische Kapitalmarktinformation ist.
4. Werden mehrere, auf verschiedene Kapitalmarktinformationen bezogene Ansprüche geltend gemacht (objektive Klagehäufung), besteht gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG die Möglichkeit, das Ausgangsverfahren nur teilweise auszusetzen.
Normenkette
KapMuG § 8 Abs. 1 S. 1; ZPO § 529 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Aurich (Beschluss vom 14.12.2018; Aktenzeichen 1 O 709/18) |
Tenor
Der Senat setzt das Verfahren gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG nach Bekanntgabe des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Aurich vom 14. Dezember 2018 (1 O 709/18) im Klageregister aus, soweit über die Berufung der Beklagten (G... G... B... III) zu entscheiden ist.
Der Kläger wird gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 und 2 KapMuG darüber unterrichtet, dass die anteiligen Kosten des Musterverfahrens zu den Kosten des Rechtsstreits gehören und dass § 8 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG nicht gilt, wenn die Klage - eine Einwilligung der Beklagten ist nicht erforderlich, § 8 Abs. 2 KapMuG - innerhalb von einem Monat ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses im Ausgangsverfahren (8 U 97/18) gegenüber dem Oberlandesgericht Oldenburg zurückgenommen wird (§ 24 Abs. 2 KapMuG).
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen behaupteter Prospektfehler auf Rückabwicklung einer unter dem Namen G... G... B... I angebotenen Beteiligung zu je 50 % an zwei Reedereien in Höhe von 50.000 EUR sowie einer weiteren, als G... G... B... III angebotenen Beteiligung an der Reederei MS "G... H..." GmbH & Co. KG in Höhe von 30.000 EUR in Anspruch. Die Zeichnungen der Beteiligungen durch den Kläger erfolgten am 25. Dezember 2007 (G... G... B... I) sowie am 20. Dezember 2008 (G... G... B... III). Die Beklagte hatte in sämtlichen Fondsgesellschaften die Stellung einer Treuhandkommanditistin.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Beteiligung G... G...B... III stattgegeben und sie im Übrigen (G... G... B... I) abgewiesen. Dagegen richten sich die Berufungen beider Parteien, die jeweils ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.
Am 14. Dezember 2018 hat das Landgericht Aurich einen Vorlagebeschluss gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG erlassen, der am 11. Januar 2019 im Klageregister bekanntgegeben worden ist (1 O 709/18). Darin heißt es:
"Die folgenden Feststellungsziele werden dem Oberlandesgericht Oldenburg zur Entscheidung vorgelegt:
Der Verkaufsprospekt über die Beteiligung am G... G... B... III in der Fassung vom 04.07.2008 (nachfolgend Verkaufsprospekt) war unrichtig, irreführend und unvollständig, weil
1. die prognostizierten Frachtraten in Hinblick auf die fehlende Eisklasse des Schiffes und die Überalterung der Flotte im betroffenen Schiffssegment unvertretbar hoch angesetzt waren und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
2. das Risiko des Wiederauflebens der Haftung nach § 171 f. HGB falsch bzw. unvollständig dargestellt wurde, da der Prospekt verschweigt, dass die Kapitalkonten nicht durch Entnahmen (Auszahlungen) unter die Hafteinlage gemindert werden können, sondern auch durch Verlustzuweisungen und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
3. dass im Verkaufsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis darauf enthalten ist, dass die von der Gesellschaft für Handel und Finanz mbH abgegebene Platzierungsgarantie nicht werthaltig war und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
4. dass entgegen der Prospektdarstellung eine effektive Überwachung der prospektgemäßen Mittelverwendungskontrolle des Emissionskapitals durch einen unabhängigen Rechtsanwalt tatsächlich nicht gewährleistet war und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
5. dass die im Verkaufsprospekt auf der Seite 27 f. dargestellten 'Verflechtungen zwischen den Partnern' unvollständig sind, da dort keine Angaben zu möglichen Interessenkollisionen zwischen dem Mittelverwendungskontrolleur, der Beklagten und der Gesellschaft für Handel und Finanz mbH gemacht wurden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
6. dass der Verkaufsprospekt aufgrund des gegen den Mittelverwendungskontrolleur eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und / oder dessen Verurteilung eines Nachtrags bedurft hätte und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
7. dass im Verkaufsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis auf das Risiko des Verlustes von Schiff, Ladung und Besatzung durch Piraterie oder ...