Leitsatz (amtlich)
1. Wenn mehrere Hunde miteinander balgend in eine Personengruppe hineinlaufen und ein Mensch zu Fall kommt, verwirklicht sich die typische Tiergefahr, auch wenn der Sturz nur auf eine Ausweichbewegung des Geschädigten zurückzuführen sein sollte.
2. Im Zweifel haftet ein jeder Halter der beteiligten Hunde für die Schadensfolgen, ohne dass es entscheidend darauf ankäme, welcher Hund konkret den Sturz verursacht hat, indem er den Geschädigten anstieß oder Anlass zu einer schadensstiftenden Ausweichbewegung gab.
Normenkette
BGB § 833
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der zweiten Zivilkammer des LG Osnabrück vom 6.9.2001 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert:
Die Klage zu Ziff 1. und 2. ist dem Grunde nach zu 50 % gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 50 % der materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 18.08.1998 auf der S.-allee in O. zu bezahlen, soweit sie nach dem 01.03.2001 entstehen und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Wegen des Streites zur Schadenshöhe und auch wegen der Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens wird der Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der anderen Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden.
4. (…)
Tatbestand
Die am (…) geborene Klägerin führte am 18.8.1998 auf der sogenannten S.-allee, einem befestigten Wanderweg im Randbereich des S. Forstes, ihren Hund aus. Es handelte sich um einen weißes Tier. Gegen 17.30 Uhr traf sie dort auf den Beklagten, der seinerseits seinen Hund, einen Weimaraner ausführte. Der Hund ist zwischenzeitlich verstorben. Nach § 3 Abs. 3 der Verordnung über die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Stadt O. vom 30.9.1986 bestand Leinenzwang. Dennoch ließen beide Parteien zeitweise ihre Hunde frei umherlaufen, wobei sich die Tiere auch in größerer Entfernung von den Parteien befanden. Als dann ein oder beide Tiere zurückgelaufen kamen, kam die Klägerin zu Fall. Sie wurde kurzzeitig ohnmächtig und erlitt eine Gehirnerschütterung und eine Verletzung im Bereich der Lendenwirbel.
Die Klägerin arbeitete im Unfallzeitpunkt als Chefsekretärin in der W.-Klinik in B.R. Diese Tätigkeit übt sie nicht mehr aus. Sie erhielt zunächst Krankengeld und bezieht seit dem 22.12.1999 eine Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. monatlich 1.605,40 DM.
Für den Hund des Beklagten besteht eine Haftpflichtversicherung bei der V. Vorprozessual hat diese ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereits 13.000 DM Schadensersatz an die Klägerin gezahlt.
Mit der Klage hat die Klägerin Erstattung von Heilbehandlungskosten i.H.v. 1.308,95 DM, Ersatz des Verdienstausfallschadens i.H.v. 27.846,47 DM für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2001, Schadensersatz für Ausfall im Haushalt und für eine erforderliche Haushaltshilfe bis Februar 2001 i.H.v. 15.993,92 DM beansprucht, wovon die Zahlungen der V. in Abzug gebracht worden sind. (…) Weiterhin hat die Klägerin vom Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt, wobei ein Betrag i.H.v. 20.000 DM als angemessen erachtet worden ist. Die Klägerin hat behauptet, in dem Zeitpunkt des Zusammentreffens der Parteien sei ihr Hund angeleint gewesen, der des Beklagten dagegen nicht. Erst als die Klägerin den Beklagten erkannt habe, habe sie auch ihren Hund losgelassen. Die Hunde hätten sich beschnuppert und seien dann jedoch jeder ihre eigenen Wege gegangen. Weil sich der Hund des Beklagten wohl zu weit entfernt habe, sei er vom Beklagten zurückgepfiffen worden. Daraufhin sei der Hund des Beklagten – allein – mit hohem Tempo zurückgelaufen und habe die Klägerin „stumpf” umgerannt. Diesen Geschehensablauf habe der Beklagte unmittelbar nach dem Unfall gegenüber den von ihm herbeigerufenen Kindern der Klägerin und deren Freund bestätigt. Der Hund der Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die Klägerin umzulaufen, da das Tier dazu viel zu klein gewesen sei, während der Hund des Beklagten etwa die Größe einer Dogge habe. Die Klägerin habe dabei neben der Gehirnerschütterung nicht nur eine Prellung der Lendenwirbelsäule, sondern eine echte Fraktur erlitten. Dieses habe sich jedoch erst später im Rahmen einer Kernspintomographie herausgestellt. Durch die Fraktur eines Lendenwirbelkörpers sei die gesamte Motorik der Klägerin schwer in Mitleidenschaft gezogen. Nachdem sie sich monatelang kaum habe bewegen können, leide sie immer noch unter erheblichen Schmerzen und werde einen Dauerschaden behalten. (…)
Die Klägerin hat beantragt,
1. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.149,34 DM nebst Zinsen gem. § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes v. 9.6.1998 seit dem 16.8.2000 zu zahlen,
2. an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen gem. § 1 des Diskontsatz-...