Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verein, der im Rahmen einer von ihm organisierten Speedwayrennveranstaltung den Zuschauerbereich des Rundkurses lediglich durch eine 1,2 m hohe Betonmauer mit einem davorliegenden Luftkissenwall sowie einem 3 Meter hinter der Betonmauer entfernt gespannten Seil abgrenzt, verletzt seine Verkehrssicherungspflicht.
2. Er ist für den Schaden, der einem hinter dem Seil stehenden elfjährigen Zuschauer dadurch entsteht, dass ein Fahrer die Kontrolle über sein Motorrad verliert, dieses abhebt, über die Betonwand hinweg fliegt und auf den Zuschauer aufprallt voll einstandspflichtig.
3. Für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht bei Speedwayrennveranstaltungen ist es erforderlich, zusätzlich zu oder auf der Betonwand bzw. statt ihrer einen motorsportspezifischen Fangzaun zu montieren, der geeignet ist, in den Zuschauerraum ausbrechende Motorräder aufzuhalten.
4. Unerheblich ist, ob sich im Einzelfall die Sicherheitsvorkehrungen des Veranstalters im Rahmen des Üblichen halten, die Vorschriften des Rennsportverbandes sowie die Auflagen der Behörden eingehalten worden sind, weil der Verkehrssicherungspflichtige eigenverantwortlich zu prüfen hat, welche Vorkehrungen zu treffen sind, damit niemand einen Schaden erleidet (vgl. BGH, VersR 1966, 165, 166; NJW 1975, 533).
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 29.09.2013; Aktenzeichen 13 O 293/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29. September 2013 geändert.
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. Juli 2016 bleibt aufrechterhalten.
II. Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Krankenversicherung, begehrt von dem beklagten Verein, der u.a. Speedwayrennen veranstaltet, Schadensersatz aus übergegangenem Recht wegen der Verletzung einer bei ihr versicherten Person im Rahmen einer Rennveranstaltung.
Der Beklagte veranstaltete am 04.05.2013 auf seinem Vereinsgelände das Speedwayrennen "Master of Speedway" als Sandbahnrennen auf einem Rundkurs. Der Zuschauerbereich war von diesem Rundkurs durch eine 1,20 Meter hohe Betonmauer (116) getrennt, an deren Innenseite ein Luftkissenwall errichtet war. Ein wenige Meter von der Betonmauer entfernt gespanntes Seil - die Beklagte behauptet eine Entfernung von 3 Metern, die Klägerin bestreitet diese Distanz mit Nichtwissen - sollte den Abstand der Zuschauer zu der Betonmauer wahren. Der am 15.04.2002 geborene Versicherungsnehmer der Klägerin, B... J..., war Zuschauer der Rennveranstaltung. Er befand sich unmittelbar hinter dem Absperrungsseil. Um 21.10 Uhr begann ein Rennen, bei dem zwei Motorräder unmittelbar nach dem Start kollidierten. Ein dritter Fahrer konnte dem Unfallgeschehen nicht ausweichen und prallte mit seinem Motorrad auf die liegenden Motorräder. Dadurch hob das auffahrende Motorrad ab und flog über die Betonwand in Richtung Zuschauer. Es verfing sich in dem Seil unmittelbar vor dem Versicherungsnehmer der Klägerin und prallte dennoch gegen dessen Oberschenkel. Der Geschädigte erlitt eine dislozierte, subtrochantäre Femurfraktur linksseitig, Gelenkfunktionsstörungen, Bewegungsstörungen und Kontrakturen. Die Behandlungskosten, welche die Klägerin übernahm, beliefen sich auf 5.850,19 EUR.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte dem Geschädigten gegenüber für die entstandenen Heilbehandlungskosten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht, so dass die Klägerin die Behandlungskosten aus übergegangenem Recht verlangen könne.
Nachdem das Landgericht ein Versäumnisurteil erlassen hat, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 5.850,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen sowie diese von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 571,44 EUR freizustellen, hat die Klägerin erstinstanzlich beantragt,
das Versäumnisurteil des Landgerichts Oldenburg vom 13.07.2016 aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil des Landgerichts Oldenburg vom 13.07.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung läge angesichts der getroffenen Maßnahmen nicht vor, jedenfalls sei eine solche angesichts der Unvorhersehbarkeit des Unfalls nicht schuldhaft erfolgt.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen verwiesen wird, hat die Klage nach Inaugenscheinnahme eines Videos des Unfallgeschehens abgewiesen. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten sei nicht gegeben, weil die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen unter Abwägung aller Interessen ausreichend gewesen seien. Außerdem habe der Beklagten mit dem Unglücksfall nicht rechnen müssen. Die Klägerin sei für die Behauptung, es würden nicht nur in ...