Leitsatz (amtlich)
Ein Vertrag über den Kauf einer Eigentumswohnung ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, wenn der Kaufpreis den Wert der Wohnung um mehr als das Doppelte übersteigt.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 5 O 3097/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.1.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.d. vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Die Kläger haben mit ihrer Klage die Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz des Schadens, den sie bei Erwerb und Finanzierung einer Eigentumswohnung erlitten haben, verlangt.
Mit notariellem Vertrag vom 25.4.1997 kauften die Kläger, die sich durch den mit einer notariellen Vollmacht versehenen Bankkaufmann L. vertreten ließen, von der Beklagten eine Eigentumswohnung für 152.150 DM. Der Kaufpreis wurde durch Aufnahme eines Darlehens i.H.v. 162.800 DM bei der B. H. und W. – Bank AG finanziert. Nachdem die Kläger die Wohnung erstmals im Frühjahr 1998 besichtigt hatten, kamen sie zu dem Schluss, einen überhöhten Kaufpreis gezahlt zu haben. Ein von ihnen bei dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises Osnabrück eingeholtes Gutachten ergab an den beiden Wertermittlungsstichtagen 25.4.1997 und 12.5.1999 einen Verkehrswert von 63.600 DM.
Die Kläger haben daraufhin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, da die Beklagte versucht habe, eine minderwertige Wohnung zu einem überzogenen Kaufpreis zu veräußern. Der Kaufvertrag sei auch nichtig, weil der Kaufpreis in einem groben Missverhältnis zum Verkehrswert stehe.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 152.150 DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 24.9.1999 bis zum 30.4.2000 sowie ab dem 1.5.2000 i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 9.6.1998 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums, verzeichnet im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichtes Bad Iburg von XXX,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.842,06 DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 24.9.1999 bis zum 30.4.2000 sowie ab am 1.5.2000 i.H.v. 5 % über den Basiszinssatz nach § 1des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 9.6.1998 zu zahlen,
3. ihnen nachzulassen, etwaige Sicherheitsleistungen durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. ihr zu gestatten, eine von ihr zu erbringende Sicherheit durch eine Bürgschaft einer Deutschen Großbank zu leisten.
Sie ist der Auffassung gewesen, dass der Kaufpreis für die Eigentumswohnung angemessen sei. Sie habe zuvor für den Erwerb des gesamten Hauses im August 1996 398.031,49 DM aufgewandt. Davon entfalle auf die Eigentumswohnung der Kläger ein anteiliger Betrag von 81.821,68 DM. Hinzu komme die Maklerprovision i.H.v. 21.411,25 DM, die sie für die Vermittlung des Weiterverkaufs an die Kläger, an L. und einen B. gezahlt habe. Weitere werterhöhende Maßnahmen von etwa 3.500 DM seien hinzuzurechnen. Auf den beanspruchten Schadensersatz müssten sich die Kläger die vereinnahmten Mieten anrechnen lassen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Wertermittlungsgutachtens über den Verkehrswert der von den Klägern erworbenen Eigentumswohnung im April 1997. Es hat sodann mit dem am 15.1.2002 verkündeten Urteil der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums stattgegeben; im Übrigen hat es die weitergehenden Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz unter Hinweis darauf, dass sich die Kläger die ihnen zugeflossenen Mieteinnahmen, die den beanspruchten Schadensersatz übersteigen, anrechnen lassen müssen, abgewiesen. Die Zahlung des Kaufpreises sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Kaufvertrag vom 25.4.1997 sei gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Verkehrswert des Wohnungseigentums nur 63.000 DM betragen habe, es sich mithin um ein wucherähnliches Rechtsgeschäft gehandelt habe. Zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe objektiv ein auffälliges Missverhältnis. Subjektiv sei die verwerfliche Gesinnung der Beklagten zu vermuten, da ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat die Beklagte form und fristgerecht Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Urteil auf einem unrichtigen bzw. nicht vollständig festgestellten Sachverhalt beruhe. Das LG habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sei. Insbesondere seien die subjektiven Voraussetzungen weder festgestellt noch bewiesen. So sei übers...