Leitsatz (amtlich)
Besteht Anlass für einen Thromboseverdacht, gehört es zu den elementaren Behandlungsgeboten, dem nachzugehen.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 05.06.1997; Aktenzeichen 9 O 20/96) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 5. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung fallen dem Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,-- DM nicht.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden im Zusammenhang mit einer nicht erkannten tiefliegenden Beinvenenthrombose.
Anfang Mai 1994 suchte die Klägerin wegen einer Knieschwellung ihren Hausarzt auf. Da ihr das verordnete Schmerzmittel keine nachhaltige Linderung der Beschwerden verschaffte und die Beinschwellung noch zunahm, begab sie sich am 25.05.1994 zu dem beklagten Internisten. Dieser empfahl ihr zwei Tage später nach Auswertung der Untersuchungsergebnisse (u.a. EKG-, Thoraxröntgen-, Blut- und Urin- sowie weiterer körperlicher Befunde) sich zur weiteren Abklärung an einen Hautarzt zu wenden. Bei der daraufhin erfolgten Vorstellung am 02.06.1994 ließ der Dermatologe nach dopplersonographischer Bestätigung seines Verdachts auf eine Beinvenenthrombose das Ergebnis durch eine sofortige Phlebographie in einem Röntgeninstitut absichern. Die Klägerin wurde umgehend in ein Krankenhaus eingewiesen. Dort wurde sie stationär mit Heparin und anschließend etwa ein halbes Jahr lang mit Marcumar behandelt. Schließlich wurde ihr verordnet, auf Dauer Kompressionsstrümpfe zu tragen. Sie leidet an einer chronischen Leitveneninsuffizienz, die sie in ihrer Lebensführung insbesondere bei körperlichen Aktivitäten einschränkt.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte hätte eine sofortige röntgenologische Abklärung bzw. Einweisung in ein Krankenhaus veranlassen müssen. Bei ordnungsgemäßem Vorgehen hätte die Thrombose vom 25.05.1994 an durch eine Lysetherapie behandelt werden können, was zu einer vollständigen Heilung geführt hätte. Ihre Schmerzensgeldvorstellung hat die Klägerin mit 30.000,-- DM angegeben.
Der Beklagte hat behauptet, die Verweisung an einen Dermatologen sei der medizinisch richtige Weg gewesen. Der Befund des Beines habe deutlich eine ekzematöse Hautveränderung ergeben. Eine Lysetherapie, der sich die Klägerin wegen der Risiken ohnehin nicht unterzogen hätte, sei wegen des bereits über Wochen andauernden Krankheitsverlaufs nicht mehr möglich, die Leitveneninsuffizienz daher nicht mehr zu verhindern gewesen. Einer wahrscheinlich vollständigen Ausheilung habe im Übrigen eine anlagebedingte Blutgerinnungsstörung der Klägerin entgegengestanden.
Das Landgericht hat nach schriftlicher Vernehmung des Hausarztes und sachverständiger Beratung durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens und Anhörung des Gutachters der Klägerin ein Schmerzensgeld von 15.000,-- DM zugesprochen und die Ersatzpflicht für Zukunftsschäden festgestellt. Der Beklagte habe es grob fehlerhaft unterlassen, für eine differenzialdiagnostische Abklärung einer Thrombose zu sorgen, wodurch die bestehenden Heilungschancen vertan worden seien.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat in nicht zu beanstandender Weise auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme die Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Beklagten bejaht, der Klägerin gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB für die fehlerhafte Behandlung am 25.05.1994 Ersatz zu leisten.
Der Gutachter hat, was auch das Landgericht zugrunde legt (LGU 6 bis LGU 8 erster Absatz) und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 2. Hs. ZPO verwiesen wird, widerspruchsfrei und nachvollziehbar unter Angabe der medizinischen Anknüpfungspunkte, erkennbar von Sachkompetenz getragen klar dargelegt, dass der Beklagte nach dem von ihm selbst dokumentierten Beschwerdebild gehalten gewesen wäre, für eine sofortige differenzialdiagnostische Abklärung der Möglichkeit einer bestehenden tiefen Beinvenenthrombose zu sorgen. Dieses Unterlassen wiegt schwer und es ermöglicht, der Patientin Erleichterungen bei der ihr obliegenden Beweisführung, dass ihre heutigen Beschwerden darauf beruhen, § 286 ZPO, zu gewähren. Der Beklagte übersieht bei seinen Rügen insgesamt, dass ihm nicht der Vorwurf gemacht wird, er hätte eine Thrombose bei seiner Untersuchung zwingend erkennen müssen, sondern dass er lediglich differenzialdiagnostisch auf einen solchen Verdacht hätte umgehend reagieren müssen wie durch die Veranlassung einer Dopplersonographie und einer Phlebographie. Das hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten, seiner schriftlichen Ergänzung und seiner Anhörung in unmissverständlicher, völlig überzeugender Weise dargelegt. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen insgesamt nicht durch. Insbesondere ergeben die von ihr vorg...