Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten trotz ausgesetzter Vermächtnisse – Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses trotz vorhandenem Privatverzeichnis
Leitsatz (redaktionell)
Zum Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten trotz ausgesetzten Vermächtnisses.
Normenkette
BGB §§ 242, 260 Abs. 1, §§ 260, 2314 Abs. 1
Gründe
Den Klägern steht gemäß §§ 2314 Abs. 1 S. 1 und 3, 260 Abs. 1 BGB ein qualifizierter Anspruch auf Auskunft über den Nachlaßbestand durch ein von einem Notar aufgenommenes Verzeichnis zu. Dieser Anspruch ist noch nicht erfüllt und seine Geltendmachung und Durchsetzung ist auch nicht rechtsmißbräuchlich. Dem im Klageantrag zu 2. selbständig erhobenen Auskunftsverlangen hat – soweit die Angaben nicht von dem vorgenannten qualifizierten Auskunftsanspruch erfaßt werden – die Beklagte entsprochen durch die Angaben im vorprozessualen und prozessualen Schriftswechsel ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu den auf die Grundschuld erfolgten Zahlungen und die Vorlage des Verkehrswertgutachtens, das sich auch mit den Hausinvestitionen befaßt.
I.
Die in der Berufungsinstanz weiter verfolgte Erörterung, ob und inwieweit der Erblasser die ihm ausgesetzten Vermächtnisse angenommen hat und deshalb eine Ausschlagung nicht mehr möglich war, ist für den im Streit befindlichen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch unerheblich. Der Pflichtteilsanspruch bleibt dem Grunde nach bestehen (arg.e. § 2318 BGB) und damit auch der darauf gerichtete Auskunftsanspruch und zwar unabhängig davon, ob der Nichterbe Vermächtnisnehmer ist und das Vermächtnis angenommen oder ausschlagen hat sowie selbst dann, wenn das Vermächtnis den Pflichtteilswert deckt (vgl. BGHZ 28, 177, 180; Palandt/Edenhofer, BGB, 53. Aufl., § 2314 Rn. 2). Nur so kann dem pflichtteilsberechtigten Nichterben häufig erst die Möglichkeit gesichert werden, Bestand und Höhe eines Pflichtteilsanspruchs, § 2303 BGB, Pflichtteilsrestanspruchs, § 2307 BGB, oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs, § 2325 BGB, zu berurteilen (vgl. BGH NJW 1981, 2051 f).
Durch die Vorlage des von ihrem Prozeßbevollmächtigten erstellten Nachlaßverzeichnisses hat die Beklagte den Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlaßverzeichnisses nicht erfüllt. Dieser handelte dabei nicht in seiner Eigenschaft als Notar, sondern als Bevollmächtigter der Beklagten zur Regelung ihrer Erbschaftsangelegenheiten.
Die in § 2314 Abs. 1 BGB aufgenommenen Auskunftsansprüche verschiedener Stärkegrade können unabhängig von einander geltend gemacht werden. Nach zutreffender allgemeiner Ansicht kann der Pflichtteilsberechtigte jedenfalls bis zur Verjährung seiner Pflichtteilsansprüche wegen der größeren Richtigkeitsgarantien verlangen, daß das Verzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird.
Eine bereits erfolgte Auskunft in einem Privatverzeichnis schließt diesen Anspruch nicht aus (BGH NJW 1961, 602 f; OLG Köln NJW RR 1992, 8; Palandt/Edenhofer a. a. O. Rn. 6; MünchKomm-Frank, BGB, 2. Aufl., § 2314 Rn. 14; Soergel/Diekmann, BGB, 12. Aufl., § 2314 Rn. 19).
Ohne Erfolg erhebt die Berufung unter Hinweis auf die Entscheidung des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16.12.1988 – 6 U 195/88 – den Einwand des Rechtsmißbrauchs. In der seinerzeit zu berurteilenden Fallgestaltung hatte der Senat eine lückenlose privatschriftliche Auskunftserteilung festgestellt, die der auskunftsbegehrenden Partei einen vollständigen Überblick über den Nachlaßbestand verschafft hatte und daraus abgeleitet, daß das Verlangen nach Neuerstellung unter Hinzuziehung des Auskunftsberechtigten rechtsmißbräuchlich sei. Hier haben dagegen die Kläger substantiiert Unklarheiten wie im Bereich „Pkw, Hausrat, Wertgegenstände” vorgetragen, die das Streben nach einem mit größeren Richtigkeitsgarantien ausgestatteten Verzeichnis jedenfalls nachvollziehbar macht. Hinzu kommt, daß ein Verzeichnis den gesamten Nachlaß insgesamt wiederzugeben hat, also alles, worauf sich der Auskunftsumfang richtet, mithin die realen Nachlaßaktiva, die Nachlaßverbindlichkeiten und den sogenannten fiktiven Nachlaßbestand mit den ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers und seinen Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre. Daher ist es auch unschädlich, daß die Kläger einzelne Auskunftspositionen als inhaltlich erfüllt bezeichnet haben. Das qualifizierte Auskunftsbegehren bezieht sich auf alle Positionen und ist insoweit insgesamt noch nicht erfüllt. Hinzu kommt, daß die Kläger bereits vorprozessual verlangt haben, zu der Verzeichniserstellung hinzugezogen zu werden, und damit zu erkennen gegeben haben, daß ihnen an einer über die einfache privatschriftliche Auskunftserteilung hinausgehenden überprüfenden Richtigkeitskontrolle gelegen ist, worauf sie nach der gesetzlichen Regelung auch einen Anspruch haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die höhere Gewähr auf Richtigkeit bei einem notariellen Verzeichnis auch gegeben, soweit der Inhalt des Verzeichnisses auf Angaben...