Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorerbschaft
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der unentgeltlichen Verfügung bei Übertragung eines Grundstückes durch den Vorerben.
Normenkette
BGB § 2113 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 2 O 3008/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 16.11.2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2.Zivilkammer des LG Oldenburg geändert und wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Verfügung der Vorerbin V … gemäß notariellem Vertrag vom 6.12.1990 (Ur.-Nr. 1558/1990 des Notars E.) im Falle des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam ist (§ 2113 Abs. 2 BGB).
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen 1/4 und der Beklagte 3/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.d. beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt für den Beklagten 60.000DM.
Tatbestand
Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Sicherung ihrer Nacherbenstellung durch Eintragung einer Vormerkung, hilfsweise auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Verfügung der Vorerbin, in Anspruch.
Die Klägerinnen sind die Töchter des am 6.8.1981 verstorbenen Notars Dr.V., der 1974 FrauV. heiratete. Der Beklagte und FrauR. sind Kinder der FrauV. aus ihrer ersten Ehe. Die EheleuteV. errichteten am 31.1.1981 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, durch das FrauV. zur alleinigen befreiten Vorerbin und die Klägerinnen zu Nacherbinnen (Klägerin zu 1) zu 2/5; Klägerin zu 2) zu 3/5) eingesetzt wurden.
Nach dem Tode des Notars Dr.V. wurde seine Witwe als Alleineigentümer in das im Grundbuch von L. Band, Bl. verzeichneten Hausgrundstücks eingetragen; zugleich wurde der Nacherbenvermerk grundbuchlich eingetragen.
Im vorliegenden Rechtsstreit legte der Beklagte weitgehend inhaltsgleiche Darlehensverträge zwischen der Witwe V. und ihm bzw. seiner Schwester R. vor, die beide das Datum des 7.3.1984 tragen, und in denen die Witwe V. bestätigt, in den vergangenen Jahren in verschiedenen Einzelbeträgen von ihren beiden Kindern jeweils 100.000DM als Darlehen erhalten zu haben. Eine ausdrückliche Rückzahlungsverpflichtung enthalten die Verträge nicht. Frau V. verpflichtete sich weiterhin, zur Sicherung der Darlehen eine Grundschuld von je 100.000DM auf ihrem o.g. Grundstück für ihre beiden Kinder eintragen zu lassen. Dementsprechend wurde gemäß ihrer Erklärung vom 11.4.1984 eine Grundschuld über 200.000DM nebst Zinsen je zur ideellen Hälfte zugunsten des Beklagten und seiner Schwester eingetragen.
Durch notariellen Kaufvertrag vom 6.12.1990 veräußerte FrauV. ihren o.g. Grundbesitz an ihren Sohn, den Beklagten. Nach der Vertragsurkunde wurde der Kaufpreis zum einen durch die Darlehensrückzahlungsansprüche über jeweils 100.000DM nebst Zinsen erbracht. FrauR. hatte ihren Darlehensrückzahlungsanspruch durch notarielle Urkunde vom selben Tag an den Beklagten abgetreten. Außerdem wurde der Kaufpreis durch Verrechnung mit einem der Veräußerin eingeräumten lebenslangen Nießbrauchsrecht (vereinbarter Kapitalwert: 131.400DM) verrechnet. Der Beklagte verpflichtete sich weiter, ungedeckte Versorgungsansprüche seiner Mutter auszugleichen und zur Sicherung eine Reallast zu bestellen. Schließlich sah der Kaufvertrag eine Barzahlung des Beklagten über 50.000DM vor; diesen Betrag überwies er seiner Mutter Anfang Januar 1991. Am 30.1.1998 wurde der Beklagte als Grundeigentümer eingetragen.
Am 20.1.1998 gab Frau B., eine Bekannte der Frau V., eine notarielle eidesstattliche Versicherung ab, in der sie u.a. erklärte, Frau V. habe ihr mitgeteilt, sie könne – wie sie von einem Notar erfahren habe – das ihr als Vorerbin zugefallene Haus dem Beklagten nur durch Verkauf, nicht aber unentgeltlich übertragen. Ihr Sohn, der Beklagte, solle das Haus aber kostenfrei erhalten, weshalb sie ihm die vertraglich vereinbarten 50.000DM zurückgezahlt habe. Es gehe nicht an, dass die V.-Kinder mehr als ihre eigenen Kinder erhielten.
Der Beklagte teilte der Klägerin zu 2) mit Schreiben vom 16.9. und 6.10.1999 mit, dass er Eigentümer des fraglichen Hausgrundstücks sei, das er verkaufen wolle. Daraufhin erwirkten die Klägerinnen in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 2 O 2499/99 LG Osnabrück die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung ihres Anspruchs auf Eigentumsübertragung.
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, bei dem Kaufvertrag vom 6.12.1990 handele es sich um ein Scheingeschäft, durch das die Vorschrift des § 2113 Abs. 1 und 2 BGB habe umgangen werden sollten. Tatsächlich habe Frau V. dem Beklagten das Grundstück geschenkt; die 50.000DM seien ihm von seiner Mutter kurze Zeit nach Kaufvertragsschluss erstattet worden. Ebensowenig hätten der Beklagte und Frau R. ihre Mutter Darlehen zur Verfügung gestellt. Frau V. habe in guten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt, da...