Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Beweises des Zugangs einer (einfachen) E-Mail; Verneinung eines Anscheinsbeweises.
Normenkette
BGB § 130 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 14.12.2023; Aktenzeichen 3 O 133/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 14.12.2023, Az.: 3 O 133/21, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Den Streitwert für den Berufungsrechtszug beabsichtigt der Senat auf ... EUR festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Die Rücknahme der Berufung wird nahegelegt.
Gründe
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung weist in der Sache keine Erfolgsaussicht auf. Weder ist das Beweisaufnahmeergebnis erster Instanz abweichend vom Landgericht dahingehend zu würdigen, dass die Parteien doch den von der Klägerin behaupteten (fern-) mündlichen Vertrag geschlossen hätten, bzw. bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung des Landgerichts, noch würde ein entsprechender Vertrag mit dem behaupteten Inhalt nach den Grundsätzen über das kaufmännische Bestätigungsschreiben als geschlossen gelten.
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen Bedenken. Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestehen, auch bei Zugrundelegung eines grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabes, wonach es für die Bejahung von Zweifeln ausreicht, dass eine gewisse - nicht notwendigerweise überwiegende - Wahrscheinlichkeit für eine Unvollständigkeit bzw. Unrichtigkeit streitet (Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 529 Rn. 8; BeckOK ZPO/Wulf, 51. Edition - 01.12.2023, § 529 Rn. 8 f., m.w.N.), nicht. Die Einschätzung des Landgerichts (UA Seiten 5 f.), es könne in Anbetracht des Fehlens einer Erinnerung an das konkrete (Fern-) Gespräch jedenfalls nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Fertigung und Versendung des vermeintlichen Vertrags- bzw. Bestätigungsschreibens durch den Zeugen ... im Nachgang zu dem streitbegriffenen Telefonat schlicht auf einem Missverständnis des Gesprächsinhalts beruhen, die Beklagte also ggf. tatsächlich - jedenfalls nicht ausschließbar - nur eine Preisanfrage formuliert haben und damit belastbare Rückschlüsse auf den Gesprächsinhalt nicht gezogen werden könnten, erscheint mindestens nachvollziehbar und wird auch durch die Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht erschüttert. Letztlich hat der Zeuge ... die Frage, ob er ein Missverständnis ausschließen könne, auch nicht bzw. nur ausweichend beantwortet (...).
2. Auch auf die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg stützten. Dieser hilfsweise Argumentationsstrang der Klägerin scheitert jedenfalls daran, dass nach Beweislastgrundsätzen nicht von dem beklagtenseits bestrittenen Zugang (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) des vermeintlichen Bestätigungsschreibens ausgegangen werden kann. Die Beweislast für den Zugang liegt - darüber besteht im Ausgangspunkt auch zwischen den Parteien Konsens - bei der Klägerin. Dabei kommt der Klägerin die von ihr reklamierte Beweiserleichterung eines Anscheinsbeweises nicht zu Gute. Taugliche Beweisantritte liegen nicht vor.
a) Für die Annahme eines Anscheinsbeweises für den Zugang einer feststehendermaßen abgesandten (einfachen, insbesondere ohne Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelten) E-Mail sieht der Senat keine Grundlage. Die von der Klägerin für ihren gegenteiligen Standpunkt zuletzt in der Berufungsbegründung zitierte instanzgerichtliche Entscheidung (AG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.10.2008 - 30 C 730/08, BeckRS 2009, 5792), die einen Anscheinsbeweis bejaht hat, ist vereinzelt geblieben und hat sich nicht durchgesetzt. Hierauf hat bereits die Beklagte in der Berufungserwiderung unter Fundstellenangabe zutreffend hingewiesen. Es entspricht in der (insbesondere auch obergerichtlichen) Rechtsprechung sowie im Kommentarschrifttum nahezu einhelliger Auffassung, dass für den Zugang einer (im vorbezeichneten Sinne einfachen) E-Mail allein aufgrund des Feststehenden Absendens, auch in Verbindung mit dem feststehenden Nichterhalt einer Unzustellbarkeitsnachricht auf Seiten des Absenders, kein Anscheinsbeweis streitet (etwa: OLG Hamm, Beschluss vom 10.08.2023 - I-26 W 13/23 [Juris; Tz. 5 ff.]; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2018 - 2 Sa 403/18 [Juris; Tz. 39]; LAG Köln, Urteil vom 11.01.2022 - 4 Sa 315/21, MDR 2022, 392 [Juris; Tz. 58 f.]; LG Hagen, Beschluss vom 31.03.2023 - 10 O 328/22 [Juris; Tz. 9]; Erman...