Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur persönlichen Anhörung des minderjährigen Kindes im Sorgerechtsverfahren. Übertragung des Rechts zur Schulwahl für ein gemeinsames Kind bei gemeinsamer elterlicher Sorge auf einen Elternteil
Leitsatz (amtlich)
1. Ein schwerwiegender Grund i.S.v. § 50b Abs. 3 S. 1 FGG liegt nicht darin, dass die Eltern auf die Anhörung des Kindes verzichtet haben.
2. Eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. §§ 1628, 1687 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn darüber zu entscheiden ist, welche weiterführende Schule das Kind besuchen soll.
Normenkette
FGG § 50b Abs. 3 S. 1; BGB §§ 1628, 1671, 1687 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Greifswald (Beschluss vom 20.06.2005; Aktenzeichen 61 F 90/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG Greifwald - FamG - vom 20.6.2005 - 61 F 90/05, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten die Gerichtskosten die Eltern je zur Hälfte tragen und eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; der Kindesvater trägt die gerichtlichen Auslagen des Beschwerdeverfahrens und hat die der Kindesmutter im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Entscheidung über den Besuch einer weiterführenden Schule ab Klasse 5 der gemeinsamen minderjährigen Tochter L., geb. am ...
Die Parteien waren miteinander verheiratet. Aus der Ehe stammt ihr Kind L., welches seit Trennung der Eltern bei der Kindesmutter lebt. Durch Beschluss des AG Stralsund vom 8.4.2003 - 21 F 588/02, steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kindesmutter allein zu.
Die Ehe der Eltern ist durch Urteil des AG Greifswald vom 21.3.2005, rechtskräftig seit dem 3.5.2005, geschieden. Die elterliche Sorge für L., mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das bei der Mutter liegt, steht den Eltern gemeinsam zu. Der Kindesvater hatte Umgang mit dem Kind, zuletzt, nach dem Willen der Kindesmutter, in begleiteter Form.
Die Eltern können sich nicht einigen, welche weiterführende Schule L. mit Beginn der 5. Klasse im Schuljahr 2005/2006 besucht.
Der Kindesvater ist der Ansicht, im Hinblick auf das in der Grundschule gezeigte Leistungsvermögen, die Leistungsbereitschaft und das Arbeitstempo L. sollte diese die integrierte Gesamtschule in Greifswald besuchen, ohne bereits jetzt auf den gymnasialen Bildungsweg und Erlangung des Abiturs festgelegt zu werden.
Die Kindesmutter ist der Ansicht, die Leistungen des Kindes rechtfertigen es, dem Wunsch des Kindes zu folgen und es am Gymnasium beschulen zu lassen.
Mit Beschluss vom 20.6.2005 hat das FamG den Antrag des Antragstellers, ihm die Entscheidung über den Besuch der weiterführenden Schule des gemeinsamen Kindes zu übertragen, zurückgewiesen und diese der Antragsgegnerin allein übertragen.
Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf den Beschluss des FamG (Bl. 49-53 d.A.) Bezug.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, mit der er sein erstinstanzliches Begehren, ihm das Entscheidungsrecht zu übertragen, weiter verfolgt.
Er trägt vor, das FamG habe seinen nachgelassenen Schriftsatz vom 14.6.2005 in der Entscheidung nicht berücksichtigt. Auch die Kindesmutter habe im vorangegangenen Sorgerechtsverfahren das alleinige Sorgerecht beantragt und den Antrag später zurückgenommen, nicht nur er. Sein Antrag auf Übertragung des Entscheidungsrechts über den Schulbesuch stehe nicht in Verbindung mit dem gesonderten Antrag auf elterliche Alleinsorge, den er erneut beim FamG gestellt habe. Solange über den Sorgerechtsantrag nicht entschieden sei, beabsichtige er, wenn ihm das Entscheidungsrecht über den Schulbesuch übertragen werde, das Kind am Wohnort der Kindesmutter, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zustehe, in der integrierten Gesamtschule in Greifswald, anzumelden. Die Ansicht des FamG, der Lernentwicklungsbericht vom 28.1.2005 sei durch den erweiterten Lernbericht vom 14.2.2005 vertieft worden, sei unzutreffend. Dieser sei lediglich geschönt worden. Dazwischen habe kein Unterricht mehr stattgefunden. Das FamG habe das Abschlusszeugnis L. der 4. Klasse nicht herangezogen. Die Entscheidung über den weiteren Schulbesuch sei auf der Grundlage der Ergebnisse zur Mitte des 4. Schuljahres auf der Grundlage des Halbjahreszeugnisses gefallen. Die Kindesmutter habe für sich schon zu Beginn der 4. Klasse entschieden, dass L. das Gymnasium besuchen solle. Nunmehr plane die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern eine Schulgesetzänderung dahin, dass der Schulwechsel ab Schuljahr 2006/2007 erst ab dem 7. Schuljahr stattfinden solle. Er wolle die Umschulung auf eine Gesamtschule. L. solle dort die Orientierungsstufe 5. und 6. Schuljahr besuchen. Die Kinder würden auf Gymnasien einer Selektion unterworfen. Es bestehe ein Bundesländerwettkampf wegen der Pisa-Ergebnisse. Dem solle L. nicht ausgesetzt sein. Der Wille L. sei beeinträchtigt durch den Einfluss der Mu...