Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweites Versäumnisurteil gegen eine Partei, die irrig annimmt, über ihren Prozesskostenhilfeantrag sei bislang nicht entschieden worden

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 337, 345, 513 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Aktenzeichen 7 O 189/99)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug wird zurückgewiesen.

Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

Der Kläger fordert von den Beklagten mit der Begründung Schadensersatz, ihm sei die vertraglich vereinbarte Übertragung von Gebäudeeigentum von Anfang an unmöglich gewesen. Die anwaltlich zunächst nicht vertretenen Beklagten sind der Klage mit Schreiben vom 10.5.1999 entgegengetreten. Nach Belehrung über den Anwaltszwang erschienen sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.8.1999 ohne anwaltlichen Beistand. Die Einzelrichterin erließ daraufhin ein antragsgemäßes Versäumnisurteil, welches den Beklagten am 20.8.1999 zugestellt wurde. Mit einem am 3.9.1999 beim LG eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom 2.9.1999 legten die Beklagten Einspruch ein und beantragten zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Verfügung vom 9.2.2000 teilte die nunmehr zuständige Einzelrichterin mit, dass eine ablehnende PKH-Entscheidung denkbar erscheine, diese bis zu dem auf den 17.2.2000 anberaumten Einspruchstermin jedoch nicht mehr möglich sei. Mit gleicher Verfügung verlegte sie den Verhandlungstermin auf den 22.6.2000. Wegen erneuten Wechsels in der Berichterstattung und zweimaliger Verhinderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde der Termin zunächst auf den 25.8.2000, später auf den 26.10.2000, 9.00 Uhr und schließlich – mit einer dem Anwalt der Beklagten am 5.7.2000 zugestellten Verfügung – auf den 26.10.2000, 15.00 Uhr, verlegt. Zu diesem Termin erschien für die Beklagten niemand. Auf Antrag des Klägers verwarf der jetzt zuständige Einzelrichter deren Einspruch durch Versäumnisurteil. Am folgenden Tag gingen dem Anwalt der Beklagten die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlüsse vom 23.10.2000 zu. Ebenfalls am 27.10.2000 – gegen 10.00 Uhr – wurde dem erkennenden Einzelrichter der vorab per Telefax am 26.10.2000 um 14.00 Uhr beim LG eingegangene Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgelegt, in dem dieser mit der Begründung eine Terminsverlegung beantragte, dass über den Prozesskostenhilfeantrag bislang nicht entschieden worden sei.

Den gegen das Versäumnisurteil vom 26.10.2000 gerichteten Einspruch hat das LG verworfen. Nunmehr beabsichtigen die Beklagten, gegen das ihnen am 9.11.2000 zugestellte Urteil Berufung einzulegen. Sie meinen, dass das zweite Versäumnisurteil nicht hätte ergehen dürfen, weil dem Fernbleiben ihres Prozessbevollmächtigten ein erheblicher Verhinderungsgrund i.S.d. § 337 ZPO zugrunde gelegen habe. Mit einem am 7.12.2000 eingegangenen Schriftsatz haben die Beklagten für das Rechtsmittelverfahren Prozesskostenhilfe beantragt.

Der Antrag war zurückzuweisen. Die von den Beklagten beabsichtigte Berufung hatte nicht die in § 114 ZPO vorausgesetzte Erfolgsaussicht. Ihr Rechtsmittel müsste gemäß § 519b ZPO als unzulässig verworfen werden.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung gegen ein sog. zweites Versäumnisurteil ist nicht schon dann zulässig, wenn es – wie hier – als solches nicht bezeichnet ist. Dem Gesetz ist der Ausdruck „zweites Versäumnisurteil” fremd. Maßgebend ist allein, ob das Versäumnisurteil den Einspruch verwirft oder über die Klage entscheidet (Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 513 Rz. 13). Auf das Urt. v. 26.10.2000 trifft ersteres zu. Damit ist es ein technisch zweites Versäumnisurteil. Die Frage, ob die Berufung nach dem Meistbegünstigungsprinzip eröffnet ist (hierzu: Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 513 Rz. 13), stellte sich nur in dem anders gelagerten Fall, dass mit dem irrig als zweites Versäumnisurteil bezeichneten Urteil über die Klage entschieden wurde.

2. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil (§ 345 ZPO) ist nach § 513 Abs. 2 ZPO nur insoweit zulässig, als der Berufungskläger einen Sachverhalt behauptet, aus dem sich, falls er zutrifft, ergibt, dass der Fall der Säumnis nicht vorgelegen hat. Anders als sonst ist hier die Schlüssigkeit des Sachvortrages bereits bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu prüfen (BGH BGHR ZPO § 513 Abs. 2 S. 1, Säumnis 1).

Die Beklagten haben keine hinreichenden Tatsachen dafür vorgetragen, dass im Termin vom 26.10.2000 ein Fall der Versäumung (§ 513 Abs. 2 ZPO) nicht vorgelegen hat. Voraussetzung hierfür wäre, dass ihr Anwalt ohne Verschulden daran gehindert war, den Termin, zu dem er ordnungsgemäß geladen worden war, wahrzunehmen. Das ist nicht der Fall.

a. Die Säumnis ist nur dann unabwendbar, wenn die Voraussetzungen einer Vertagung nach § 337 Satz 1 ZPO objektiv vorlagen (Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 513 Rz. 8). Im Streitfall waren derartige Umstände nicht gegeben. Soweit Rechtsprechung und...

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