Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Löschung eines Social-Media-Posts und der Sperrung des Nutzer-Accounts; Bezeichnung eines anderen Nutzers als "Musel" ("Der Musel ist ziemlich rassistisch").
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1; NetzDG § 1 Abs. 3; StGB § 185
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 21.10.2020; Aktenzeichen 3 O 234/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 21.10.2020, Az.: 3 O 234/19, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung wird absehbar erfolglos bleiben.
1. Bereits die Zulässigkeit der Berufung (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO) begegnet Bedenken, die der Senat im Ergebnis allerdings zurückstellt. Das Berufungsvorbringen insgesamt stellt sich nach dem Eindruck des Senats als - zumindest weitgehend - textbausteinartig dar bzw. erschöpft sich in der Wiederholung erstinstanzlichen Vortrags oder in Rekursen auf Inhalte anderer Verfahren (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.03.2020 - 15 U 62/19, BeckRS 2020, 38484 Rn. 29). Hinzu tritt, dass die Berufung sich zu der Frage, welcher Sinngehalt konkret dem - vom Landgericht für entscheidungstragend erachteten - Begriff "Musel" zukommt, nicht verhält. Sämtliche das Begriffsverständnis betreffenden Ausführungen in der Berufungsbegründung (Seiten 37 ff. = Band V Blatt 47 ff. d.A.) - insbesondere alle in diesem Kontext durch den Kläger angebrachten Zitate aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und aus öffentlich zugänglichen Internetquellen wie z. B. Wikipedia - beziehen sich auf den Begriff "Muselmann", nicht auf das (Kurz-) Wort "Musel". Soweit der Kläger (wohl) als vermeintlich selbstverständlich zu Grunde legt, der Begriff "Musel" könne nicht anders - jedenfalls nicht dem Kläger ungünstiger - behandelt werden als der Begriff "Muselmann", findet sich eine nähere Begründung hierzu nicht. Eine Gleichsetzung von "Muselmann" und "Musel" in der hier interessierenden Hinsicht erscheint jedenfalls - nur darauf dürfte es auf der Ebene der Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt des Begründungsgebots ankommen - nicht zwingend (vgl. LG Coburg, Urteil vom 25.03.2020 - 12 O 429/19, Seite 13 [Anlage B 81]); so sind beispielsweise die - heute weitgehend außer Gebrauch geratenen - Begriffe "negrid", "negroid" oder "Neger" lange Zeit als nicht herabsetzend empfunden worden, wohl aber der - aus ihnen bzw. dem lateinischen Ursprungswort "niger" abgeleitete - Begriff "Nigger". Bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes wahrt die Berufung das Begründungserfordernis nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gleichwohl noch.
2. Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet, weil das Landgericht die Klage zurecht als unbegründet abgewiesen hat.
a) Dabei kann der Senat den Streit der Parteien um die Wirksamkeit der Gemeinschaftsstandards bzw. Nutzungsbedingungen der Beklagten - insbesondere mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB - insgesamt offenlassen. Auch die Frage, welche Fassung der Gemeinschaftsstandards bzw. Nutzungsbedingungen ("Alt-/Neuversion") hier ggf. gilt und ob der - vom Landgericht für wirksam erachtete - Einbezug der "Neuversion" im April 2018 seinerseits an den Bestimmungen des AGB-Rechts zu messen ist (und einem solchen Maßstab ggf. standhält), bedarf keiner Entscheidung. Gleiches gilt für die Frage, ob sich der hier in Rede stehende Post unter die Bestimmungen der Gemeinschaftsstandards bzw. Nutzungsbedingungen - namentlich diejenigen zur so genannten "Hassrede" - subsumieren lässt.
b) Mit der Verwendung des Begriffs "Musel" in dem streitbegriffenen Post vom ... ("Der Musel ist ziemlich rassistisch") hat der Kläger nämlich jedenfalls - unabhängig von einer etwaigen Verwirklichung von Straftatbeständen, also auch bei rein zivilrechtlicher Betrachtung - das aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen ...-Nutzers verletzt. Da die Verletzung hier bereits - allein - in der Verwendung des genannten Begriffes liegt, der als solcher keinen Bezug zu einer wie auch immer gearteten sachlich-inhaltlichen Diskussion aufweist und damit eine so genannte (bloße) Schmähung darstellt (bzw. - eine strafrechtliche Einordnung als Beleidigung an sich unterstellt - eine so genannte Formalbeleidigung), kommt es - anders als bei deutungsbedürftigen Äußerungen, deren Sinngehalt sich erst aus dem Kontext erschließt (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2016 - VI ZR 505/14, MDR 2016, 648 = NJW-RR 2017, 98 [Juris; Tz. 11]; KG, Bes...