Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretung im Nachlassverfahren durch Inkassounternehmen; Aufhebung einer Inventarerstellungsfrist durch das Beschwerdegericht auch nach Fristablauf
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Inkassovollmacht berechtigt nicht zur Vertretung in einer Nachlasssache vor Gericht.
2. Der Antrag des Nachlassgläubigers auf Bestimmung einer Inventarfrist muss die Person benennen, die das Inventar errichten soll. Hierfür genügt die Angabe "den Erben" nicht.
3. Das Beschwerdegericht kann den Beschluss, mit welchem eine Frist zur Inventarerstellung gesetzt worden ist, auch nach Ablauf der Frist aufheben, so dass eine gesetzte Frist ihre Wirkung verliert.
Zitierung: Abweichung OLG Köln, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 2 Wx 15/20
Normenkette
BGB § 1994 Abs. 2 S. 1; FamFG § 10 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Neubrandenburg (Beschluss vom 27.10.2022; Aktenzeichen 502 VI 771/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 27.10.2022, Az. 502 VI 771/19, aufgehoben, soweit dem Beteiligten zu 3) eine Inventarfrist gesetzt worden ist. Der Antrag vom 30.08.2022 auf Bestimmung einer Inventarfrist gegenüber dem Beteiligten zu 3) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des erstinstanzlichen Antragsverfahrens hat die I. K. GmbH & Co. KG zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich der Hauptsacheentscheidung zugelassen.
4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf den Beschluss vom 27.10.2022 verwiesen. Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Beschluss aufzuheben, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist. Die übrigen Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme und haben sich nicht geäußert.
II. 1. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Erben zu 3) ist begründet und führt zur Aufhebung der ihm gegenüber gem. § 1994 BGB gesetzten Inventarfrist.
Der Antrag vom 30.08.2022 ist schon deshalb als unzulässig abzuweisen, weil die eingereichte Vollmacht vom 30.08.2022 nicht zur Antragstellung in einer gerichtlichen Nachlasssache berechtigt. Die (Inkasso-) Vollmacht beschränkt sich auf erlaubte Tätigkeiten der Verfahrensbevollmächtigten als registrierte Erlaubnisinhaberin nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Hierzu gehört die Vertretung in einer Nachlasssache vor dem Nachlassgericht nicht, vgl. § 10 Abs. 2 FamFG.
Der Antrag eines Nachlassgläubigers auf Bestimmung einer Inventarfrist muss zudem die Person benennen, die das Inventar errichten soll (vgl. Erman-Horn, BGB, 17. Aufl., § 1994 Rn. 2; Staudinger-Dobler, BGB [2020], § 1994 Rn. 10). Dem genügt der Antrag vom 30.08.2022 nicht, denn dort wird nur beantragt, "den Erben/-in" eine Inventarfrist zu setzen.
Die Nachlassgläubigerin hat schließlich das Bestehen einer Nachlassforderung nicht glaubhaft gemacht (§ 1994 Abs. 2 S. 1 BGB). Ein Darlehensvertrag vom 12.03.2018, auf den die Nachlassforderung ausdrücklich gestützt wird, ist nicht eingereicht worden, ferner weisen die eingereichten Verträge vom 07.12.2017 und 20.02.2016 als Gläubigerin die C. F. GmbH aus. Allein der Abschluss eines Darlehensvertrages sagt auch nichts über das Bestehen eines Rückzahlungsanspruches aus.
Unerheblich ist demgegenüber das vom Beteiligten zu 3) vorgetragene Unvermögen zur Errichtung eines Inventars, denn die unverschuldete Verhinderung führt gem. § 1996 BGB nur zur Bestimmung einer neuen Inventarfrist auf Antrag des Erben (vgl. BeckOK/BGB-Leiß, § 1994 Rn. 22).
Trotz des schon erfolgten Ablaufes der vom Amtsgericht bestimmten zweimonatigen Inventarfrist kann der Senat als Beschwerdegericht den Beschluss vom 27.10.2022 aufheben mit der Folge, dass die Fristbestimmung gegenüber dem Beteiligten zu 3) von Anfang an unwirksam ist und keine Rechtsfolgen auslöst, auch wenn die bloße Einlegung der Beschwerde zunächst keine aufschiebende Wirkung hatte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26.05.1992 - 1Z BR 2/92, BayObLGZ 1992, 162; a.A.: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2018 - 3 Wx 252/17, FamRZ 2018, 1355; OLG Köln, Beschluss vom 30.01.2020 - 2 Wx 15/20, juris Rn. 14).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.
Im Falle der Antragstellung ohne Vollmacht entspricht es der Billigkeit, dem vollmachtlosen Vertreter die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
3. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zuzulassen, weil der Senat entscheidungserheblich von den o.g. Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des OLG Köln abweicht, nach denen die Beschwerde wegen Erledigung unzulässig geworden wäre.
III. Die Festsetzung des Geschäftswertes erfolgt gem. § 61 Abs. 1 GNotKG, wobei die Kosten und Mühen für die Inventarerrichtung sowie der drohende Verlust der Haftungsbeschränkung gem. §§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2013 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen sind.
Fundstellen
Dokument-Index HI15731192 |