Leitsatz (amtlich)
Zur Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens bei der Überprüfung der Fortdauer des Maßregelvollzugs (§§ 67 d II, 67 e I StGB, §§ 454 II 1, 463 III 3 StPO).
Verfahrensgang
LG Schwerin (Entscheidung vom 06.01.1998; Aktenzeichen 33 KLs (50/97)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
H. H. ist durch das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 6.1.1998, Az.: 33 KLs (50/97), wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt worden. Daneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Zuletzt mit Beschluss vom 3.6.2002 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Neubrandenburg die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Beschluss ist dem damaligen Pflichtverteidiger am 14.6.2002 zugestellt worden.
Mit am 20.6.2002 bei dem Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat der mittlerweile von dem Verurteilten beauftragte weitere Verteidiger die sofortige Beschwerde eingelegt und später zur Begründung ausgeführt, die gutachterliche Stellungnahme der Klinikärzte basiere nur auf Pauschalierungen und Mutmaßungen. Danach reduziere sich die geforderte "erfolgreiche Behandlung" des Verurteilten auf dessen Einsicht in das Verwerfliche seiner Tat. Einen dementsprechenden Eindruck habe der Verteidiger von dem Verurteilten bereits erhalten.
II.
1.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß angebracht. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.
Gem. § 67 d Abs. 2 i.V.m. § 67 e Abs. 2 StGB setzt das Gericht nach Ablauf der Überprüfungsfrist die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung vorliegen, so kann die Erprobung, ob der Untergebrachte in der Freiheit keine rechtswidrigen Taten begehen wird, nicht verantwortet werden.
2.
Die in diesem Sinne erforderliche günstige Täterprognose kann dem Verurteilten nicht gestellt werden.
H. H. leidet nach wie vor unter einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Bei ihm herrscht weiterhin ein ausgeprägtes Wahnsystem vor, dem zu Folge er mit den ihm in den Kliniken verabreichten Medikamenten vergiftet bzw. sonst geschädigt werden soll. Infolge des permanenten Misstrauens gegen das Klinikpersonal ist es nicht zu einer ausreichenden Analyse und Aufarbeitung seiner Taten gekommen. Aufgrund seiner mangelnden selbstkritischen Haltung zu seinen Taten, seiner Persönlichkeitsstruktur und den damit verbundenen labilen Beziehungsmustern besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte im Falle seiner Freilassung erneut solche Taten begeht, die zu seiner Verurteilung geführt haben.
3.
Dies steht fest auf Grund der ärztlichen Stellungnahme der den Verurteilten behandelnden Klinikärzte vom 25.4.2002 i.V.m. dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Schmitz vom 17.10.2000.
Beides liefert derzeit eine ausreichende Grundlage, um dem Verurteilten eine hinreichend aussagekräftige Kriminalitätsprognose zu stellen. Der Einholung eines aktuellen Prognosegutachtens und einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen bedarf es zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
a)
Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung der OLG'e Koblenz (NStZ-RR 1999, 345 f.) und Celle (StV 1999, 384 f.).
Danach könne von einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen (§§ 463 Abs. 3 Satz 3, 454 Abs. 2 Satz 3 StPO) auch dann nicht abgesehen werden, wenn das Gericht es nicht "erwägt", die weitere Vollziehung der Maßregel zur Bewährung auszusetzen, da diese Einschränkung sich allein aus den §§ 57, 57a StGB rechtfertige und dieser Gesichtspunkt bei der Unterbringung nach § 63 StGB (und damit auch bei der Entscheidung gem. § 67d Abs. 2 StGB) nicht zum Tragen komme. Während bei der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung noch weitere (vorgreifliche) Voraussetzungen zu überprüfen seien und bei Verneinung einer dieser Voraussetzungen sich eine teure und aufwändige Sachverständigenbegutachtung erübrige, sei im Rahmen der Überprüfung gem. § 67 d Abs. 2 StGB der Untergebrachte im Falle seiner Heilung oder Ungefährlichkeit sofort aus der Unterbringungsanstalt zu entlassen. Gerade diese Frage könne nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedoch in erster Linie nur durch einen Sachverständigen beurteilt werden.
b)
Dem steht die sich streng an dem Wortlaut des § 454 Abs. 2 StPO orientierende Auffassung des Thür. OLG in Jena (StV 2001, 26 f.) entgegen, der zu Folge die Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich sei, wenn bereits auf Grund der Aktenlage eine Aussetzung des weiteren Maßregelvollzuges so fern liegend erscheine, dass sie als ernsthafte Alternative zur Fortdauer des Maßregelvollzuges nicht in Betracht komme, und es somit an einer Erwägung fehle, ob die weitere Vollstreckung ausgesetz...