Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betroffener, der sich aus einer 50-60 köpfigen Gruppe, die homogen überwiegend dunkel gekleidet ist und in der sich Personen bereits mit Sturmhauben, dunklen Sonnenbrillen oder Tüchern über Mund und Nase vermummt haben, nicht entfernt, obwohl 40-50 Personen dieser Gruppe Paletten zerschlagen, setzt eine Anscheinsgefahr für seine Beteiligung an einer Straftat.
2. Das Gebot der unverzüglichen richterlichen Vorführung aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG muss nicht durch Transportverzögerungen von 2 Stunden bis zum Abtransport und weiteren 2 Stunden bis zum Eintreffen in der GESA verletzt sein. Solche Verzögerungen konnten in der besonderen Situation des 6.6.2007, dem ersten Tag des G 8-Gipfels, sachlich begründet sein. Wird die Befahrbarkeit der Straßen durch Demonstrationen und Straßensperren massenhaft eingeschränkt, so muss ein in Gewahrsam Genommener grundsätzlich gewisse Verzögerungen hinnehmen. Der Polizei kann deshalb grundsätzlich eine fehlende Unverzüglichkeit der richterlichen Vorführung i.S.v. Art. 104 Abs. 2 Satz 2GG nicht vorgeworfen werden. hätte sie jeweils die sofortige Räumung von Straßensperren bewerkstelligen müssen.
3. Die Zeit des Aufwandes für eine ärztliche Behandlung des Betroffenen ist in die Dauer der polizeilichen Sachbearbeitung nicht einzuberechnen.
Verfahrensgang
LG Rostock (Aktenzeichen 8 T 13/07) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Betroffene erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung. Am 6.6.2007 gegen 16.02 Uhr befand sich der Betroffene in einer Personengruppe von ca. 50-60 Personen auf der Straße "Z.K." im Bereich des Eingangs zum Golfplatz W., der zwischen K. und H. liegt. Die Personen dieser Gruppe waren überwiegend dunkel gekleidet und hatten teilweise Sturmhauben aufgesetzt bzw. trugen dunkle Sonnenbrillen i.V.m. dunklen Tüchern über Mund oder Nase. Als die Gruppe die Polizeibeamten entdeckten, begannen etwa 40-50 Personen von ihnen am Straßenrand aufgestapelte Holzpaletten und Steine zu zerschlagen und zu zerbrechen. Teilweise wurden die zerbrochenen Teile aufgenommen und mitgeführt sowie größere Steine als Hindernis auf der Fahrbahn liegengelassen. Beim Eintreffen der Polizei zersplitterte sich die Gruppe in Kleingruppen, die von der Polizei bis zu einem kleinen Hügel verfolgt wurden. Nach Umstellung des Hügels wurden die Personen in Gewahrsam genommen. Zu diesen gehörte auch der Betroffene, der um 16.15 Uhr festgenommen wurde. Auf dem Hügel wurden diverse Vermummungsgegenstände gefunden.
Die Übergabe des Betroffenen zum Transport erfolgte nach dem Polizeibericht um 18.10 Uhr). Um 20.10 Uhr wurde der Betroffene in der polizeilichen Gefangenensammelstelle (GESA) aufgenommen und zwischenzeitlich einem Arzt vorgestellt. Insgesamt wurden bei diesem Ereignis 39 Personen in die GESA aufgenommen. Um 22.55 Uhr wurde der Betroffene dann dem AG vorgeführt. Die Anhörung konnte sodann erst um 23.14 Uhr beginnen, da die Dolmetscherin noch an einer anderen Anhörung teilnahm. Der Betroffene machte zur Sache vor dem Amtsrichter keine Angaben. Mit Beschluss vom 6.6.2007 ordnete das AG die Fortdauer des amtlichen Gewahrsams längstens bis zum 9.6.2007, 12.00 Uhr, und die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an.
Das AG hielt die polizeiliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen gestützt auf § 55 Abs. 1 Nr. 2b SOG M-V für rechtmäßig. Es war davon überzeugt, dass der Betroffene Mitglied der genannten Gruppe gewesen sei. Er habe sich verdächtig gemacht, Teilnehmer einer Sachbeschädigung, eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gegebenenfalls eines Landfriedensbruchs gem. § 125 StGB zu sein. Die Fortdauer der Ingewahrsamnahme sei unerlässlich. Nach dem im Zuge der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen sei zu befürchten, dass er weiterhin beabsichtigt, Straftaten zu begehen. Er sei Teil einer Gruppe, die in besonders schwerwiegender Weise in Erscheinung getreten ist.
Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung trägt er vor, die Polizei habe keine unverzügliche richterliche Entscheidung i.S.d. Art. 104 GG veranlasst.
Das LG Rostock wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung des Betroffenen zurück. Auch vor dem LG machte der Betroffene keine Angaben zur Sache. Zur Begründung führt die Kammer aus, der Betroffene sei Teilnehmer einer Gruppe gewesen, aus der heraus Sachbeschädigungen vorgenommen worden seien. Es seien Paletten beschädigt worden. Es habe die Gefahr bestanden, dass aus der Personengruppe heraus weitere Straftaten begangen werden. Die Mitnahme von Steinen lasse darauf schließen, dass diese als Wurfgeschosse eingesetzt werden sollten. Das Hinterlassen von größeren Steinen auf der Fahrbahn führe zu einer Gefährdung der Straßenverkehrsteilnehmer. Das Verhalten der Teilnehmer der Gruppe erfülle den Tatbestand des Landfriedensbruchs. Auch wenn bei dem Betroffene...