Leitsatz (amtlich)
1. Die Polizei darf in der Gefahrengesamtschau darauf schließen, dass der Betroffene sich im Rahmen von Demonstrationen gegen den G 8-Gipfel gewalttätig verhalten werde, wenn seine Aufmachung (schwarz gekleidet, Sonnenbrille, Basecap, hochgebundene Hose, Stiefel und schwarzes Halstuch um die Hüften), derjenigen der Mitglieder des "schwarzen Blocks" gleicht und er zur Vermummung und (aktiven oder passiven) Bewaffnung geeignete Gegenstände mit sich führt (hier: eine Faschingsbrille mit Nase, ein Paar Schlagschutzhandschuhe, gefüllt mit Sand bzw. Bleigranulat).
2. Eine polizeiliche Sachbearbeitung in der GESA von 3 Stunden stellt vor dem Hintergrund von Masseningewahrsamnahmen anlässlich des G 8-Gipfels 2007 keinen Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG dar. Daran ändert auch die Zuweisung eines Sachbearbeiters für den Betroffenen erst nach 2 ½ Stunden nichts, da es auf die Gesamtbearbeitungszeit ankommt. Die Polizei ist über einen detaillierten GESA-Ablaufplan hinaus nicht verpflichtet, bei Masseningewahrsamnahmen die Reihenfolge der Abarbeitung zu dokumentieren.
Verfahrensgang
LG Rostock (Beschluss vom 07.06.2007; Aktenzeichen 20 T 14/07) |
Tenor
Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des LG Rostock vom 7.6.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Betroffene erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung.
Am 6.6.2007 gegen 14.55 Uhr wurde der Betroffene im Rahmen einer Personenkontrolle aus Anlass von Demonstrationen anlässlich des G 8-Gipfels im Bereich der K. Str./S. von der Polizei angehalten und abgetastet. Dabei fand die Polizei in der Hüfttasche des Betroffenen ein Paar Schlagschutzhandschuhe, gefüllt mit Sand bzw. Bleigranulat, sowie eine Faschingsbrille mit Nase. Der Betroffene war schwarz gekleidet und trug eine Sonnenbrille sowie ein Basecap. Seine Hose war hochgebunden, dazu trug er Stiefel. Um die Hüften hatte er ein schwarzes Halstuch gebunden. Die Polizei nahm den Betroffenen, den sie aufgrund seines militanten Eindrucks optisch dem "schwarzen Block" zuordnete, um 15.00 Uhr in Gewahrsam; Schlagschutzhandschuhe, Brille mit Nase und Halstuch beschlagnahmte sie wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Im polizeilichen Kurzbericht heißt es zum Sachverhalt: "Der Beschuldigte war auf dem Weg aus dem Camp R. in Richtung S.". Hinsichtlich des Verbleibes des Betroffenen geht aus dem Kurzbericht hervor, dass er um 15.30 Uhr vom aufnehmenden Beamten an einen Kollegen übergeben wurde, der ihn wiederum um 16.10 Uhr - zum Transport - weiterleitete. Um 19.38 Uhr wurde der Betroffene an die GESA in R. übergeben. Nach dem GESA-Ablaufplan wurden zunächst seine Daten aufgenommen; anschließend wurde ihm um 20.04 Uhr eine Zelle zugewiesen. Weiter sind im Ablaufplan u.a. folgende Ereignisse dokumentiert:
Zeitpunkt Ereignis Bemerkungen
20.06 Uhr Sonstiges KEIN Rechtsanwalt gewünscht;
wünscht einen Psychologen
21.58 Uhr Zuweisung Sachbearbeiter
22.46 Uhr Sonstiges GESA Akte zwecks Vorführung an die Geschäftsstelle AG Rostock, um 22.35Uhr abgegeben
23.29 Uhr Anforderung Transport Bitte Person auf Zimmer 450, da Vorführung sofort sein soll - eilt -
01.38 Uhr Sonstiges Telefonat des UA 4, dass der Proband einen Rechtsbeistand haben möchte sowie dringend Psychopharmaka benötigt/00.50 Uhr
01.40 Uhr Sonstiges Richterl. Vorführung war um 00.50 Uhr
beendet.
Im Protokoll des AG Rostock über die mündliche Anhörung des Betroffenen am 7.6.2007 ist als Beginn der Anhörung 00.37 Uhr, als ihr Ende 01.09 Uhr vermerkt.
Vor dem AG erklärte der Betroffene, er sei auf dem Weg ins Camp gewesen. Die Brille mit Nase gehöre seinem Kumpel. Die Handschuhe seien gut zum Motorradfahren, bei Stürzen werde man weniger verletzt. Er habe sich von den großen Menschenmassen entfernt, weil ihm die Situation zu unheimlich geworden sei und er zum Konzert gewollt habe.
Mit Beschluss vom selben Tag ordnete das AG Rostock die Fortdauer des polizeilichen Gewahrsams bis zum 8.6.2007, 22.00 Uhr, sowie die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an. Es hielt die polizeiliche Ingewahrsamnahme für rechtmäßig, da der Betroffene mit Sand gefüllte Schlagschutzhandschuhe sowie zur Vermummung geeignete Gegenstände mit sich geführt habe. Der Amtsrichter schätzte ein, dass der Betroffene weiterhin beabsichtige, Straftaten zu begehen oder zu deren Begehung beizutragen. Der Betroffene sei wegen Landfriedensbruch und Bedrohung bereits in Erscheinung getreten. Seinem äußeren Auftreten nach gehöre er dem sog. "schwarzen Block" an, von dem bereits am 2.6.2007 im Zusammenhang mit dem G 8-Gipfel erhebliche Gewalt ausgegangen sei.
Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein. Er habe nichts Verbotenes getan. Es gäbe keinen Bezug zu einer Versammlung. Die Zuordnung zum "schwarzen Block" sei absurd. Jedem sei es erlaubt, sich so zu kleiden, wie er es wolle.
Das LG Rostock wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss vom 7.6.2007 zurück. Die...