Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenspflegschaft: Abrechnung berufsspezifischer Dienstleistungen eines Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Der zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt kann seine Leistungen als Aufwendungsersatz nach dem RVG abrechnen, wenn die zu erbringenden Dienste derart schwierig und bedeutend waren, dass ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische Ausbildung vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte.
Normenkette
BGB § 1835 Abs. 3; FGG § 67a Abs. 2 S. 2; RVG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Schwerin (Beschluss vom 06.07.2009; Aktenzeichen 25 F 28/08) |
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des AG Schwerin vom 6.7.2009 - 25 F 28/08, wird die dem Verfahrenspfleger von der Landeskasse zu erstattende Vergütung nebst Auslagenersatz auf 3.015,70 EUR festgesetzt.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.015,70 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Verfahrenspfleger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung des AG, welches seinen Vergütungsantrag zurückgewiesen hat.
Der Vater des heute 6 Jahre alten Z. (im folgendem Erblasser) war Eigentümer eines in Schwerin gelegenes Grundstücks. Ende 2007 verstarb der Erblasser. Die Kindesmutter beabsichtigte den Verkauf des Grundstücks. Auf deren Antrag hin bestellte das AG Schwerin am 27.3.2008 den Beschwerdeführer als berufsmäßigen Pfleger für das familienrichterliche Genehmigungsverfahren. Am 31.3.2008 veräußerte das Kind das in Schwerin gelegene Grundstück für 219.000 EUR. In einer Anlage zur notariellen Urkunde trat die Kindesmutter am 20.3.2008 einen Teil des Kaufpreisanspruches i.H.v. 60.000 EUR an den Vermögensberater R. ab. Grund dafür waren Schulden, die der Erblasser ggü. dem Vermögensberater gehabt haben soll. Mit Schriftsatz vom 14.4.2008 befürwortete der Verfahrenspfleger den Abschluss des Kaufvertrages, weil dieser für das Kind wirtschaftlich vorteilhaft gewesen sei. Der Verfahrenspfleger führte u.a. aus, dass er den Anspruch des Vermögensberaters gegen den Erblasser geprüft und als begründet erachtet habe. Er habe Herrn R. jedoch zu einem Verzicht auf Zinsansprüche in Höhe 13.344,35 EUR bewegen können. Tatsächlich unterzeichneten am 9.4.2008 Herr R. sowie die Kindesmutter für das Kind einen entsprechenden Erlassvertrag. Mit Beschluss vom 16.4.2008 genehmigte das Familiengericht den Grundstückskaufvertrag. Mit Schriftsatz vom 6.5.2009 übersandte der Verfahrenspfleger dem Familiengericht eine Kostenrechnung über 3.015,70 EUR auf der Grundlage des RVG und einem Gegenstandswert von 219.000 EUR (= Kaufpreis). Nach Anhörung des Bezirksrevisors hat das AG den Vergütungsantrag zurückgewiesen. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Mit seiner sofortigen Beschwerde gibt der Verfahrenspfleger zu bedenken, dass ihm nach den Vorgaben des BVerfG eine Vergütung nach dem RVG zuzubilligen sei. Damit habe sich auch nichts durch die 1995 erfolgte Einführung des § 67a FGG geändert. Dem AG sei zwar zuzugeben, dass nicht jede Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger als anwaltliche Dienstleistung anzusehen sei. Jedoch habe die Überprüfung des Kaufvertrages erhebliche rechtliche Probleme mit sich gebracht, insbesondere sei die Teilabtretung von 60.000 EUR an den Vermittler R. rechtlich problematisch gewesen. So habe er mit dem Vermögensberater verhandelt und im Ergebnis dem Kind eine Schuldenreduzierung im Volumen von 35.000 EUR ermöglicht.
Der Bezirksrevisor verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er hält das RVG für nicht anwendbar, weil § 67a Abs. 1 Satz 1 FGG nicht auf § 1835 Abs. 3 BGB verweise, der allein eine Vergütung nach dem RVG ermögliche.
II. Die gem. §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 5 Satz 2, 56g Abs. 5, 22 Abs. 1 FGG zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Verfahrenspfleger steht ein Anspruch auf eine Vergütung nach dem RVG zu.
1. Dem AG ist zwar zuzugeben, dass der Verfahrenspfleger grundsätzlich bei der hier einschlägigen berufsmäßigen Führung der Pflegschaft gem. § 67a Abs. 2 Satz 2 FGG eine Vergütung nach dem VBVG erhält. Das gilt zunächst einmal auch für Rechtsanwälte, die Verfahrenspflegschaften übernommen haben. Denn gem. § 1 Abs. 2 RVG gilt das RVG nicht für eine Tätigkeit als Verfahrenspfleger.
2. Anders als das AG ist der Senat jedoch der Auffassung, dass dies nicht ausnahmslos gilt. Denn gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 RVG bleibt § 1835 Abs. 3 BGB unberührt. Nach dieser Vorschrift kann der zum Vormund bestellte Rechtsanwalt nach dem RVG abrechnen. Allerdings ist dem AG zuzugeben, dass § 67a Abs. 1 Satz 1 FGG nur auf § 1835 Abs. 1 und 2 und nicht auf Abs. 3 BGB verweist. Hier liegt der Schluss nicht fern, dass der Gesetzgeber eine Abrechnung des als Verfahrenspfleger tätigen Rechtsanwalts nach dem RVG nicht vorgesehen hat. Jedoch findet sich in den Materialien zur Gesetzgebung kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die Vorgabe des BVerfG (FamRZ 2000, 1280, 1282), wonach der zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt seine Leistungen als Aufwendungsersatz nach der Ge...