Entscheidungsstichwort (Thema)
Nur ausnahmsweise Beiordnung eines Rechtsanwalts im isolierten Sorgerechtsverfahren nach dem FamFG
Leitsatz (amtlich)
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78 Abs. 2 FamFG nur dann möglich sein, wenn der Fall rechtlich oder tatsächlich so schwierig gelagert ist, dass es erforderlich erscheint, dem Betroffenen zur hinreichenden Wahrung seiner Rechte einen Rechtsanwalt beizuordnen. Der Gesetzgeber spricht in seiner Begründung hier von "engen Voraussetzungen". Daraus lässt sich herleiten, dass die Rechtsprechung zu § 121 Abs. 2 ZPO, wonach ein Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge stets die Beiordnung eines Rechtsanwalts geboten erscheinen lässt, nicht mehr ohne weiteres anwendbar ist.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2, § 111 Nr. 2; ZPO § 121 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Rostock (Beschluss vom 24.11.2009; Aktenzeichen 15 F 86/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Rostock vom 24.11.2009 - 15 F 86/09, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat in der gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 568 Satz 2 ZPO vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist unbegründet. Mit zutreffender Begründung, welcher sich der Senat anschließt, hat das AG davon abgesehen, der Antragstellerin einen Rechtsanwalt beizuordnen. Da im isolierten Sorgerechtsverfahren (§ 111 Nr. 2 FamFG) eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, richtet sich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahrenskostenhilfeverfahren nach § 78 Abs. 2 FamFG. Danach wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Nach dem bisherigen Recht war die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht an die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geknüpft (§ 14 FGG, § 121 Abs. 3 ZPO). Das zeigt, dass eine Beiordnung in Verfahren ohne Anwaltszwang nur in Ausnahmefällen zu erfolgen hat (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 78 FamFG Rz. 4). Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte von § 78 Abs. 2 FamFG. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Beiordnung eines Rechtsanwalts nur dann möglich sein, wenn der Fall rechtlich oder tatsächlich so schwierig gelagert ist, dass es erforderlich erscheint, dem Betroffenen zur hinreichenden Wahrung seiner Rechte einen Rechtsanwalt beizuordnen. Der Gesetzgeber spricht in seiner Begründung hier von "engen Voraussetzungen" (BT-Drucks. 16/6308, 214). Aus alledem lässt sich herleiten, dass die Rechtsprechung zu § 121 Abs. 2 ZPO, wonach ein Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge stets die Beiordnung eines Rechtsanwalts geboten erscheinen lässt (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 121 Rz. 7 m.w.N.), nicht mehr ohne weiteres anwendbar ist (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 78 FamFG Rz. 4).
Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass dem aus dem Sozial- und Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebot der Gleichstellung von Bemittelten und Unbemittelten bei der Gewährung effektiven Rechtsschutzes genüge getan wird (OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2009 - 17 WF 131/09, Rz. 4 [zitiert nach juris]). Eine verfassungskonforme Auslegung ergibt daher, dass eine Beiordnung auch gem. § 78 Abs. 2 FamFG regelmäßig dann geboten sein wird, wenn auch eine bemittelte Partei vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.11.2009 - 2 WF 211/09, Rz. 7 [zitiert nach juris]). Dabei wird auf die Sach- und Rechtslage abzustellen sein, wie sie sich im Zeitpunkt des Beiordnungsantrages darstellt.
Unter Berücksichtigung der obigen Kriterien kam eine Beiordnung nicht in Betracht. Festzuhalten ist, dass nach der Darstellung der Antragstellerin die Kindeseltern sich lange Zeit einig waren, dass die Kinder bei der Antragstellerin bleiben sollten. Der Senat übersieht nicht, dass der Kindesvater nach der Darstellung der Kindesmutter am 1.10.2009 von dieser Vereinbarung zunächst Abstand genommen hat. Jedoch haben beide Elternteile noch vor dem Beiordnungsantrag eine vorläufige Regelung über den Umgang getroffen. Schließlich kann - wie das AG zu Recht betont - nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kindesmutter das AG zunächst ohne anwaltlichen Beistand angerufen hat. Festzuhalten ist, dass aus objektiver Sicht die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich erscheinen lässt. Auch eine bemittelter Elternteil hätte hier keinen Anwalt aufgesucht.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist eine andere rechtliche Beurteilung nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Beteiligten entgegengesetzte Ziele verfolgen. Denn in diesen Verfahren steht nicht die Durchsetzung der Interessen der sich mit entgegengesetzten Anliegen gegenüberstehenden Eltern im Vordergrund,...