Entscheidungsstichwort (Thema)
Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Prozessfähigkeit einer Partei
Leitsatz (redaktionell)
Vor der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Prozessfähigkeit einer Partei muss sich das Gericht zunächst durch deren persönliche Anhörung einen unmittelbaren Eindruck darüber verschaffen, ob Zweifel an der Prozessfähigkeit tatsächlich begründet sind.
Normenkette
ZPO § 56
Verfahrensgang
AG Hagenow (Beschluss vom 09.08.2005; Aktenzeichen 3 F 110/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 24.8.2005 wird der Beschluss des AG H. - FamG - vom 9.8.2005 zu Ziff. 1 des Beschlusses aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens an das FamG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen einen Beschluss des AG H. - FamG -, soweit mit diesem die Einholung eines Gutachtens zur Klärung der Frage beschlossen worden ist, ob bei ihr die medizinischen Voraussetzungen einer fehlenden Prozessfähigkeit zu bejahen sind.
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Mit Vergleich vom 10.2.2004 haben sie sich im Rahmen eines vor dem AG H. - FamG - durchgeführten Gerichtsverfahrens u.a. verpflichtet, zum jeweils anderen Ehegatten keinen Kontakt aufzunehmen, sofern dieser es nicht ausdrücklich wünscht.
Im Rahmen des nunmehr anhängigen Verfahrens begehrt der Antragsteller die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin, weil diese gegen die genannte Verpflichtung verstoßen habe. Zugleich regt er an, deren Prozessfähigkeit zu prüfen.
Die Antragsgegnerin hat das ihr vorgeworfene Fehlverhalten bestritten. Zudem hat sie ausgeführt, es bestehe kein Grund, ihre Prozessfähigkeit zu überprüfen. Sie sei genau so normal wie der Antragsteller.
Am 2.8.2005 hat das FamG in der Sache verhandelt. Die Antragsgegnerin hat an diesem Termin nicht teilnehmen können, weil sie arbeitsunfähig krank gewesen ist. Ein entsprechendes Attest hat sie dem Gericht vor dem Termin übersandt.
Mit der insoweit angefochtenen Entscheidung hat das FamG u.a. beschlossen, zur Klärung der Frage, ob bei der Antragsgegnerin die medizinischen Voraussetzungen einer fehlenden Prozzessfähigkeit zu bejahen sind, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die der Ansicht ist, die Anordnung der Untersuchung sei unzulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines derarten Beschlusses sei, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit vorlägen. Das sei nicht der Fall.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Rechtsgrundlage ist § 19 FGG analog.
Das FGG findet nicht direkt Anwendung. Gegenstand der Hauptsache ist die Zwangsvollstreckung aus einem auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes ergangenen Vergleich. Für die Zwangsvollstreckung aus diesem Vergleich finden die Vorschriften der ZPO Anwendung - hier §§ 888 ff. ZPO - unabhängig davon, ob der Vergleich nach den Regeln des FGG oder der ZPO ergangen ist (Gerhardt/Weinreich, Handbuch des Fachanwalts für Familienrecht, 5. Aufl., Kap. 8 Rz. 376; Palandt/Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 1 GewSchG Rz. 8).
§ 567 ZPO ist nicht anwendbar. Ein Beschluss nach § 567 ZPO hat Außenwirkung für die Parteien. Bei der Anordnung der Feststellung der Prozessfähigkeit handelt es sich um eine den inneren Dienstbereich des Gerichts betreffende Maßnahme - die Erfüllung der in § 56 ZPO normierten Amtspflicht zur Überprüfung der Prozessfähigkeit. Zudem steht der Anwendbarkeit des § 567 ZPO entgegen, dass die Anordnung der Überprüfung der Prozessfähigkeit nicht an eine Beschlussform gebunden ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 56 Rz. 8).
§ 19 FGG ist analog anzuwenden, weil die ZPO keine Regelung enthält, nach der auch Verfügungen des Gerichts angefochten werden können.
Der Zulässigkeit der Beschwerde der Antragsgegnerin steht nicht entgegen, dass ihre Prozessfähigkeit streitig ist.
Jede Partei, deren Prozessunfähigkeit nicht von vornherein feststeht, wird als prozessfähig behandelt (BGH v. 23.2.1990 - V ZR 188/88, MDR 1990, 610 = NJW 1990, 1734 [1735], re. Sp.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 52 Rz. 6, m.w.N.). Dieses folgt aus § 56 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist im Zweifel die Prozessfähigkeit von Amts wegen zu prüfen. Hierzu stände im Widerspruch, träfe die Parteien insoweit die Darlegungs- und Beweislast.
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass es sich bei der angefochtenen Anordnung um eine Zwischenentscheidung des Gerichts handelt. Die Anordnung der Überprüfung der Prozessfähigkeit dient lediglich der Vorbereitung einer die Instanz abschließenden Entscheidung zur Zulässigkeit der Klage.
Zwar unterliegen Zwischenentscheidungen nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keinem Rechtsmittel (BayObLG FGPrax 2001, 78 [79]; NJWE-FER 1998, 43 [44]; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 9, m.w.N.). Ausnahmsweise ist dies aber der Fall, wenn durch die Anordnung in erheblichem Maß...