Leitsatz (amtlich)
Die Ehe einer Frau mit einem als Mädchen geborenen Transsexuellen ist keine Nichtehe, sondern allenfalls eine aufhebbare Ehe, wenn vor der Eheschließung gem. § 9 TSG die Zugehörigkeit des Transsexuellen zu dem anderen Geschlecht vorabfestgestellt worden war.
Verfahrensgang
LG Rostock (Beschluss vom 29.04.2004; Aktenzeichen 2 T 393/02) |
AG Rostock (Beschluss vom 30.10.2002; Aktenzeichen 24-III 33/02) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) werden die Beschlüsse des AG Rostock vom 30.10.2002 (24 III 33/02) und des LG Rostock vom 29.4.2004 (2 T 393/02) aufgehoben.
Der Antrag des Beteiligten zu 3) auf Berichtigung des Heiratsbucheintrags 777/1993 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 3) trägt die durch seinen Antrag ausgelösten Auslagen der Beteiligten zu 1) und 2).
III. Wert der Beschwerde: 3.000 Euro.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) wurde am 21.12.1992 als Mädchen geboren und erhielt den Namen U. B. Am 3.12.1992 beantragte er, seinen Vornamen in U. M. zu ändern; am 18.10.1993 erweiterte er den Antrag dahingehend, seine Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht festzustellen. Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des AG Rostock vom 26.10.1993 (15 III 65/92) führt er den Vornamen U. M. Außer der Namensänderung stellte dieser Beschluss vorab fest, dass der Beteiligte zu 1) als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen sei. Daraufhin wurde zum Geburtseintrag U. B. ein Randvermerk über die Namensänderung und die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit eingetragen. Am 31.12.1993 schlossen die Beteiligten zu 1) und 2) vor dem Standesbeamten in Rostock die Ehe, die im Heiratsbuch des Jahres 1993 unter Nr. ... eingetragen wurde. Mit Beschluss vom 28.1.2002 stellte das AG Rostock abschließend die Zugehörigkeit des Beteiligten zu 1) zum männlichen Geschlecht fest.
Der Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock - Standesamtaufsicht - stellte am 7.3.2002 den Antrag, den Heiratsbucheintrag gem. § 47 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PStG) dahingehend zu berichtigen, dass er unwirksam ist. Das AG gab diesem Antrag statt. Das LG Rostock wies am 29.4.2004 die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) mit der Begründung zurück, der Heiratseintrag sei unwirksam, weil er eine Nichtehe betreffe.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1) und 2) mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde. Zur Begründung führen sie aus, das AG und das LG hätten die Wirkungen des Beschlusses vom 26.10.1993 verkannt, aus dem sich die Zugehörigkeit des Beteiligten zu 1) zum männlichen Geschlecht ergebe. Der Beteiligte zu 3), der dies seinerzeit genauso gesehen habe, sei hieran gebunden, nachdem ihre Ehe seit 1993 bestehe. Es widerspreche nicht nur Art. 6 GG, sondern auch Art. 1 GG, wenn der Staat nach Belieben entscheiden könne, ob er sich an früheres Verhalten gebunden fühle oder nicht. Sie, die Beteiligten zu 1) und 2) hätten ihr Leben im Vertrauen auf die bestandskräftige Ehe geführt.
Der Beteiligte zu 3) beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen. Aus dem Beschluss vom 26.10.1993, gegen den der Beteiligte zu 1) kein Rechtsmittel eingelegt habe, ergebe sich lediglich eine Vorabfeststellung und er lasse somit erkennen, dass er keine abschließende Entscheidung beinhalte. Erst seit Rechtskraft des Beschlusses des AG Rostock vom 28.1.2002 sei der Beklagte zu 1) ein Mann und habe eine Frau heiraten können.
II. Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ist begründet.
1. Die Rechtswirkungen des am 31.12.1993 beurkundeten und im Heiratsbuch des Standesamtes Rostock unter eingetragenen Vorgangs bestimmen sich nach dem Ehegesetz in der seit dem 1.1.1975 und bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung und nunmehr nach den §§ 1303 ff. BGB, die durch das Eheschließungsrechtsgesetz mit Wirkung vom 1.7.1998 in das BGB eingefügt wurden. Unabhängig von der Gesetzesänderung und ungeachtet dessen, dass zwischenzeitlich auch andere Lebensgemeinschaften rechtlich anerkannt sind, ist ungeschriebene materiell-rechtliche Voraussetzung der Ehe, dass nur ein Mann und eine Frau heiraten können (BVerfG v. 4.10.1993 - 1 BvR 640/93, NJW 1993, 3058 = FamRZ 1993, 1419 = MDR 1993, 1208).
Das BVerfG (BVerfG v. 4.10.1993 - 1 BvR 640/93, NJW 1993, 3058 = FamRZ 1993, 1419 = MDR 1993, 1208) hat nur entschieden, dass zwei Personen gleichen Geschlechts nicht in Kenntnis des unzweifelhaft gleichen Geschlechts beider heiraten können. Nicht geklärt sind die Folgen einer Eheschließung zwischen Personen gleichen Geschlechts, die sich dessen nicht bewusst waren. Amts- und LG gehen mit den Beteiligten zu 3) von einer Nichtehe aus, ohne die Alternative - Aufhebbarkeit - in Betracht zu ziehen.
2. Diese Abwägung hat der Senat nachzuholen.
a) Das 1993 geltende Ehegesetz unterschied zwischen Nichtigkeit und Aufhebung der Ehe, wobei auch die Nichtigkeit nur in einem gerichtlichen Verfahren, jedenfalls nicht durch Berichtigung des Heiratsbuches festzustellen war. Das jetzige Eheschließungsrecht lässt die Aufhebung einer fehlerhaften...