Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen einer Scheinehe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung für die Anwendung des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB ist, dass die Ehegatten durch ihre Willenserklärungen bei der Eheschließung einvernehmlich keine Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft begründen wollen. Liegt bei einem Ehegatten dagegen ein echter Ehewunsch bzw. ein Wunsch nach den Verpflichtungen des § 1353 Abs. 1 BGB vor, fehlt es an den Tatbestandsvoraussetzungen einer "Scheinehe", dann kann allenfalls ein Aufhebungsgrund gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegen.

2. Zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB im Einzelfall

 

Normenkette

BGB §§ 1310, 1314; PStG §§ 13, 39

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 04.11.2021; Aktenzeichen 49 III 24/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Bescheid des beteiligten Standesamts vom 19.06.2019 wird aufgehoben.

Das beteiligte Standesamt wird angewiesen, die Erteilung des von der Antragstellerin beantragten Ehefähigkeitszeugnisses nicht mit der Begründung abzulehnen, dass die beabsichtigte Ehe nach § 1314 BGB aufhebbar sei.

Die Entscheidung ergeht im Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei.

Notwendige Aufwendungen werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt vom beteiligten Standesamt die Erteilung eines Ehefähigkeitszeugnisses.

Die am XX.XX.1969 geborene Antragstellerin, deutsche Staatsangehörige, beabsichtigt, mit dem in Marokko lebenden marokkanischen Staatsangehörigen V, geboren am XX.XX.1982, ihrem Verlobten, in Marokko eine Ehe einzugehen. Die Antragstellerin ist nach vier Vorehen mit einem sudanesischen, einem marokkanischen und zwei algerischen Staatsangehörigen geschieden. Sie hat aus zwei dieser Vorehen zwei Söhne, geboren in den Jahren 2002 und 2004, die bei ihr leben.

Am 17.05.2018 erkundigte die Antragstellerin sich über das Online-Portal des beteiligten Standesamts nach den erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung mit dem in Stadt1 lebenden marokkanischen Staatsangehörigen W, geboren am XX.XX.1986. Nach Erhalt der Auskunft am 18.05.2018 stellte sie am 18.09.2018 hierzu eine weitere Anfrage, die am 20.09.2018 beantwortet wurde. Am 11.01.2019 wünschte die Antragstellerin über das Online-Portal des beteiligten Standesamts weitere Informationen über die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses zur Eheschließung in Marokko mit W. Knapp zwei Monate später, am 19.03.2019, stellte die Antragstellerin eine erneute Anfrage, dieses Mal hinsichtlich der Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses zur Eheschließung in Marokko mit ihrem derzeitigen Verlobten V.

Bei der am 27.03.2019 durchgeführten Vorsprache der Antragstellerin im beteiligten Standesamt legte diese Unterlagen ihres Verlobten vor (Geburtsurkunde, Wohnsitzbescheinigung und Ledigkeitsbescheinigung), die bereits im Februar 2019, d.h. teilweise mehr als einen Monat vor der Anfrage der Antragstellerin zur geplanten Eheschließung mit ihrem Verlobten ausgestellt worden waren.

Die Antragstellerin beantragte beim beteiligten Standesamt die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses. Mit Schreiben vom 19.06.2019 (Bl. 12 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, lehnte das beteiligte Standesamt die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass ein solches nach den §§ 39 Abs. 2, 13 Abs. 2 PStG nur ausgestellt werden dürfe, wenn der beabsichtigten Eheschließung nach deutschem Recht kein Hindernis entgegenstünde. Dies sei hier aber der Fall. Nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB könne eine Ehe aufgehoben werden, wenn die Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig seien, dass sie keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gegenseitigen Verantwortung eingehen wollten. Durch die hier vorliegenden Tatsachen sei es für das beteiligte Standesamt offenkundig, dass die beabsichtigte Ehe aufhebbar wäre.

Durch als "Klage und Antrag auf Prozesskostenhilfe" bezeichneten Schriftsatz ihrer seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten vom 17.07.2019 (Bl. 1 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Antragstellerin beim Amtsgericht die "Verurteilung" des beteiligten Standesamts beantragt, das Ehefähigkeitszeugnis zur Eheschließung mit V zu erteilen. Sie hat hierzu vorgetragen und dies umfassend begründet, dass sie mit ihrem Verlobten eine dauerhafte Ehe eingehen wolle. Sie hat dazu im einzelnen Ausführungen zu ihren Vorehen gemacht, zu dem Umstand der Anfragen beim beteiligten Standesamt betreffend W, sowie zu den Umständen des Kennenlernens und ihrer Beziehung zu ihrem derzeitigen Verlobten. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in erster Instanz wird auf die Darstellung im Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 04.11.2021 Bezug genommen.

Das beteiligte Standesamt ist dem Antrag entgegengetreten und hat dessen Zurückweisung beantragt. Es hat vorgetragen, dass es seine Mitwirkung an der Ausstellung des Ehefähigkeitsz...

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