Leitsatz (amtlich)
Handelt es sich bei § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine widerlegbare Dringlichkeitsvermutung, kann dafür auch erheblich sein, ob der Antragsteller das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Eintragung einer Vormerkung für eine Bauhanderkersicherungshypothek mit dem gebotenen Nachdruck im Verhältnis zu dem Hauptsachverfahren betreibt.
Normenkette
BGB § 885 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Schwerin (Beschluss vom 03.08.2023; Aktenzeichen 7 O 121/23) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 03.08.2023 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet; zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es der Antragstellerin für den Erlass der erstrebten einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung für eine Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 650e BGB an dem notwendigen Verfügungsgrund fehlt.
1. Zwar ist gemäß § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung nicht erforderlich, dass eine Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft gemacht wird. Allerdings handelt es sich dabei (nur) um eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Verfügungsgrund unterstellt wird. Diese Vermutung der Dringlichkeit der Eintragung einer Vormerkung kann damit im Einzelfall - insbesondere im Hinblick auf die zwischen der Beendigung der Arbeiten des Unternehmers und/oder die Erstellung seiner Schlussrechnung verstrichene Zeit durch zu langes Zuwarten - widerlegt werden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 13.05.2013, Az.: 12 U 1297/12, - zitiert nach juris -, Rn. 29 m.w.N.). Im Hinblick auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedingt dies zudem, dass die antragstellende Partei alles in ihrer Macht Stehende tut, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen; kommt sie dieser prozessualen Obliegenheit nicht nach und lässt sie es zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen kommen, rechtfertigt sich auch daraus in aller Regel der Schluss, dass dem Antragsteller die Rechtsverfolgung nicht eilig und die Angelegenheit folglich nicht dringlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2014, Az.: 23 U 7/14, - zitiert nach juris -, Rn. 3).
2. Vor diesem Hintergrund ist, anders als die Antragstellerin meint, nicht ersichtlich, dass ein Zeitraum von eineinhalb bis drei Jahren zwischen dem Abschluss der Bauarbeiten bzw. der Erstellung der Schlussrechnung von vornherein noch als unbedenklich zu beurteilen wäre; vielmehr finden sich umgekehrt insofern allein Aussagen dazu, wann die Dringlichkeitsvermutung (jedenfalls) als widerlegt anzusehen ist (vgl. ausschließlich in diesem Sinne wie von der Antragstellerin angeführt OLG Celle, Urteil vom 05.03.2015, Az.: 13 U 12/15, Rn. 6: Schlussrechnung 18 Monate nach Beendigung der Arbeiten und Beantragung einer einstweiligen Verfügung weitere 14 Monate nach Erstellung der Schlussrechnung; OLG Nürnberg, Urteil vom 26.02.2015, Az.: 13 U 2061/14, Rn. 29: Beantragung einer einstweiligen Verfügung 20 Monate nach Beendigung der Arbeiten und 15 Monate nach Erstellung der Schlussrechnung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013, Az.: 21 U 123/12, Rn. 14: Beantragung einer einstweiligen Verfügung 25 Monate nach Beendigung der Arbeiten; OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 30: Beantragung einer einstweiligen Verfügung dreieinhalb Jahre nach Erstellung der Schlussrechnung, jeweils zitiert nach juris). Stattdessen kann ein Eilbedürfnis bereits angesichts deutlich kürzerer Zeiträume als widerlegt angesehen werden (vgl. etwa OLG Rostock, Beschluss vom 08.08.2022, Az.: 7 W 33/22, n. v.: Beantragung einer einstweiligen Verfügung acht Monate nach Stellung der Schlussrechnung), was sich nicht zuletzt aus den Anforderungen an das prozessuale Vorgehen ergibt (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2014, Az.: 23 U 7/14, - zitiert nach juris -, Rn. 4 ff.: Hat die erste Instanz den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt, darf der Antragsteller zwar die gesetzlichen Fristen für die Einlegung und Begründung der Berufung aus §§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausschöpfen, ohne dass hierdurch die Eilbedürftigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes in Frage gestellt wird; bittet er allerdings ohne Vorliegen triftiger Gründe darum, die Berufungsbegründung um einen mehr als bloß unerheblichen Zeitraum von wenigen Tagen zu verlängern, und nutzt er die gewährte Verlängerung sodann aus, gibt der Antragsteller damit zu erkennen, dass es ihm mit der Verfolgung der reklamierten Ansprüche nicht dringlich und die Vermutung aus § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB widerlegt ist.).
3. Das Landgericht hat danach zutreffend darauf abgestellt, dass eine Dringlichkeitsvermutung zu Gunsten der Antragstellerin nicht besteht, weil sie von Anfang März 2022 bis Ende Juli 2023, d.h. über etwa 17 Monate ...