Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Übertragung von Nutzungsrechten: Inhaltskontrolle bei Gestaltungsmissbrauch in Rahmenverträgen von Verlagen mit freien Journalisten
Leitsatz (amtlich)
Die in § 31 Abs. 5 UrhG zum Ausdruck kommende Zweckübertragungslehre ist ein gesetzliches Leitbild i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie kann deshalb unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls taugliche Grundlage einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle sein (Anschluss an OLG Hamburg in GRUR-RR 2011, 293 ff.).
Wenn sich der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einem so weitgehenden Umfang Nutzungsrechte einräumen lässt, dass der Urheber von allen künftigen Verwendungen bzw. Weiterübertragungen von Nutzungsrechten in jeder Hinsicht ausgeschlossen ist, kann ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen, der im Rahmen der AGB-Kontrolle zu beanstanden ist.
Eine formularmäßige Abbedingung der in §§ 34, 35 UrhG geregelten Zustimmungserfordernisse für die weitere Übertragung oder Einräumung von Nutzungsrechten zugunsten des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen führt - vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls - nicht ohne weiteres zu einer unangemessenen Benachteiligung des Urhebers.
Normenkette
UrhG § 13 S 2, §§ 14, 31 Abs. 5, §§ 34-35, 41 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 12.05.2011; Aktenzeichen 6 O 45/10) |
Tenor
1. Der Beklagten wird es unter Abänderung des Urteils des LG Rostock vom 12.5.2011 (Az.: 6 O 45/10) bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, letztere zu vollziehen am Geschäftsführer der Komplementärin, oder bei Meidung einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) über das im Urteil des LG Rostock vom 12.5.2011 (Az.: 6 O 45/10) ausgesprochene Verbot hinausgehend verboten, im rechtsgeschäftlichen Verkehr in einer Rahmenvereinbarung über die freie Mitarbeit mit freien Mitarbeitern folgende Allgemeine Geschäftsbedingungen zu verwenden oder verwenden zu lassen:
§ 6 Urheberrecht
6.1 Der freie Mitarbeiter überträgt der Gesellschaft ein im Rahmen des Vertragsgegenstandes nach § 1 nutzbares ausschließliches, zeitlich und räumlich unbeschränktes Nutzungsrecht an seinen Leistungen (Text, Fotos oder Illustrationen) und den damit zusammenhängenden Urheber- und Leistungsschutzrechten für alle Nutzungsarten. Die Einräumung umfasst die Befugnis, die Rechte im In- und Ausland in körperlicher Form zu nutzen oder in unkörperlicher Form wiederzugeben, und zwar insbesondere
- in Printmedien (z.B. Tageszeitungen, Beilagen, Sonderveröffentlichungen, Zeitschriften, Bücher),
- in Kommunikations- und Informationsdiensten (z.B. Radio, Internet, SMS, MMS, UMTS, Archive, Datenbanken),
- für Offline-Medien (z.B. CD-Rom, DVD),
- in der Werbung und für Werbemittel (z.B. Plakate, Werbefilme, POS-Werbefilmen),
- für Merchandising-Produkte (z.B. T-Shirts, Tassen),
- (entgeltlichen) Lesefoto-Service.
6.5 Die Urheberpersönlichkeitsrechte des freien Mitarbeiters an seinen Beiträgen bleiben ansonsten unberührt. Der freie Mitarbeiter wird seine Urheberpersönlichkeitsrechte nicht in einer Weise geltend machen, die einen Konflikt mit den der Gesellschaft überlassenen Befugnissen und den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft herbeiführen kann.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Kläger jeweils zu 15 %, die Beklagte zu 70 %. Die Kosten des Rechtsstreits II. Instanz tragen die Kläger jeweils zu 25 % und die Beklagte zu 50 %.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des durch die Gegenseite zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Gegenseite vorher Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 45.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger sind eine Interessenvertretung von hauptberuflichen - freiberuflichen wie angestellten - Journalisten. Die Beklagte erbringt Dienstleistungen für verschiedene Gesellschaften der Verlagsgruppe N. und schließt Verträge mit freien Journalisten und Fotografen über die Verwertung und Honorierung von deren Leistungen ab.
Die für die Zeitungen der Verlagsgruppe N. tätigen freien Journalisten wurden im Jahr 2009 aufgefordert, mit der Beklagten einen Rahmenvertrag abzuschließen und sich ggf. elektronisch auf Aufträge in einer von der Beklagten eingerichteten Internetdatenbank zu bewerben, falls sie Interesse an der Erbringung von journalistischen Leistungen für die Zeitschriften der Verlagsgruppe hatten. Zum Inhalt des den Journalisten angebotenen Rahmenvertrags wird auf Bl. I 63 - 67 d.A. Bezug genommen.
Mit der Klage haben die Kläger ursprünglich die Unterlass...