Leitsatz (amtlich)

Ein Anscheinsbeweis zu Lasten des Auffahrenden kann nur dann greifen, wenn die verunfallten Fahrzeuge über eine gewisse Zeit gleichgerichtet in der gleichen Fahrspur hintereinander gefahren sind, da anderenfalls eine Vielzahl anderer Geschehensabläufe denkbar ist, die nicht auf ein Verschulden des Auffahrenden schließen lassen.

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Urteil vom 24.04.2014; Aktenzeichen 4 O 26/14)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des LG Schwerin vom 24.04.2014 - Az. 4 O 26/14 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

 

Gründe

Die Berufung kann gemäß § 513 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht ersichtlich. Zutreffend hat das LG die Klage abgewiesen, weil den Kläger der Vorwurf eines schwerwiegenden Verkehrsverstoßes trifft, der die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1.) zurücktreten lässt. Im Einzelnen:

1.) Der Unfall ereignete sich beim Betrieb der Kraftfahrzeuge des Klägers und des Beklagten zu 1.).

2.) Da eine die Haftung für die einfache Betriebsgefahr ausschließende höhere Gewalt weder zu Gunsten des Klägers noch des Beklagten zu 1.) vorlag, und keine der Parteien die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 StVG dargelegt oder bewiesen hat, was erfordert hätte, dass die Partei darlegt und ggf. beweist, ihrerseits den Anforderungen an einen Idealfahrer entsprochen zu haben, sind nach § 17 Abs. 1 StVG die beiderseitigen unfallursächlich gewordenen Betriebsgefahren der Fahrzeuge gegeneinander abzuwägen, wobei verkehrswidriges Verhalten die Betriebsgefahr des jeweils geführten Fahrzeuges je nach Gewicht des Verstoßes erhöht.

Die Darlegungs- und Beweislast für ein schuldhaftes Verhalten trifft die jeweils gegnerische Partei. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägungen sind nur die unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen sowie die Umstände zu berücksichtigen, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit der Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslagen haben außer Betracht zu bleiben (BGH, NJW 1995, 1029 m.w.N., zitiert nach juris). Bei der Abwägung entscheidet in erster Linie das Maß der Verursachung, also das Gewicht der von den Beteiligten gesetzten Schadensursachen so, wie sie sich beim konkreten Unfall ausgewirkt haben (BGH, NJW 2006, 896, zitiert nach juris).

a) Es kann dahinstehen, ob das dem Kläger vorwerfbare Verhalten als Verstoß gegen die aus § 5 StVO resultierenden Pflichten beim Überholen oder als ein Verstoß gegen die sich aus § 7 StVO beim Spurwechsel ergebenden Pflichten zu werten ist. Nach § 5 Abs. 4 StVO muss sich der Überholende so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist, nach § 7 Abs. 5 StVO darf ein Fahrstreifen ebenfalls nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Damit treffen den Verkehrsteilnehmer jeweils gesteigerte Sorgfaltspflichten, wie sich aus der Fassung des Gesetzestextes ergibt. Hat sich ein Unfall im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Überholvorgang bzw. dem Fahrstreifenwechsel ereignet, spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Fahrzeugführers.

Vorliegend steht nach Durchführung der Beweisaufnahme ein Verstoß des Klägers gegen diese Pflichten fest. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen hat sich der Unfall zu einem Zeitpunkt ereignet, als der Spurwechsel bzw. der Überholvorgang noch nicht abgeschlossen war. Dies korrespondiert mit den Aussagen der Zeugen Frank Barkowsky und Amelie Riemann, die das Fahrzeug des Klägers ausscheren sahen und schilderten, dass sich die Kollision hieran unmittelbar anschloss. Die Aussage der Zeugin May kann nicht zugrundegelegt werden, denn sie widerspricht den Feststellungen des Sachverständigen zu den Anstoßstellen und dem festgestellten Kollisionswinkel der Fahrzeuge, die als solche in der Berufung nicht angegriffen wurden.

Darüber hinaus hat der Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen bereits bei Einleitung des Fahrspurwechsels das Fahrzeug des Beklagten auf der Überholspur erkennen können, weshalb er seinen Überholvorgang nebst Spurwechsel hätte hintanstellen müssen. Im Zeitpunkt der 2. Rückschaupflicht befand sich das Fahrzeug des Beklagten in einer Entfernung von nur 40 m, was angesichts der Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Klägers von ca. 95 km/h nicht ausreichte, um vor dem Fahrzeug des Beklagten auf die Fahrspur zu wechseln un...

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