Normenkette
BGB §§ 203, 642
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 29.03.2012; Aktenzeichen 4 O 233/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des LG Schwerin vom 29.03.2012 - 4 O 233/11 - wie folgt geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 430.688,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.11.2007 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 4.140,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.10.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin fordert als Auftragnehmerin von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Entschädigung wegen Vorhaltekosten für eine mobile Stahlgleitwand aufgrund einer erheblichen Verzögerung im Vergabeverfahren sowie die Erstattung damit im Zusammenhang stehender vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Die Klägerin unterbreitete der Beklagten nach öffentlicher Ausschreibung am 19.07.2004 (Anl. K 1 - AB 1 ff.) ein Angebot - betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19, RF Wittstock - Rostock, km 90,80 - km 104,250 - für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung in Höhe von insgesamt 1.076.416,75 EUR netto (= 1.248.643,43 EUR brutto), welches entsprechend der Ausschreibung unter der Position 00.03.0024 die Leistung "Stahlgleitwand von 14.800,00 m für 588 Tage vorhalten" zu einem Einheitspreis von 1.184,00 EUR netto/Tag und dementsprechend zu einem Gesamtbetrag von 696.192,00 EUR netto (K 2 - AB 58ff, 68) beinhaltete.
In der Ausschreibung (B 1 - GA I 45) heißt es u.a.: "Frist der Ausführung: September 2004 - April 2006. Vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses".
Nach den der Ausschreibung zugrunde liegenden Besonderen Vertragsbedingungen (AB 5 ff.) sollte die Ausführung der Arbeiten spätestens 12 Tage nach Zuschlagserteilung beginnen, insbesondere der Aufbau der Verkehrssicherung spätestens 36 Werktage nach Zuschlagserteilung erfolgen. Ziff. 8.4 der Besonderen Vertragsbedingungen enthält den Hinweis, dass die Ausschreibung vorbehaltlich der Beauftragung des Bauhauptloses erfolge und es aus diesem Grund zur Verzögerung der Zuschlagserteilung kommen könne.
Nach den Ausschreibungsbedingungen war die Klägerin an ihr Angebot bis zum Ende der Zuschlagsfrist am 02.09.2004 gebunden. Nach dem Submissionsergebnis vom 19.08.2004 (Anl. K 3 - AB 78) hatte die Klägerin das günstigste Angebot abgegeben. Hiervon hatte die Klägerin noch am selben Tag - unstreitig - Kenntnis erlangt (K 3 - AB 78).
Auf Bitten der Beklagten erklärte sich die Klägerin mit einer Verlängerung der Bindefrist zunächst bis zum 29.10.2004, dann bis zum 30.03.2005, weiter bis zum 30.06.2005, sodann bis zum 31.10.2005 und schließlich bis zum 31.03.2006 einverstanden. Die erbetenen Verlängerungen der Zuschlags- und Bindefrist begründete die Beklagte zunächst mit Verzögerungen "aufgrund der verwaltungstechnischen Bearbeitung" (K 4 - AB 79), anschließend jeweils mit einer "Verschiebung des Hauptbauloses" (K 6 - AB 82, K 8 - AB 85, K 10 - AB 98, K 13 - AB 93). Am 30.03.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für das verfahrensgegenständliche Teillos über 1.186.211,26 EUR brutto nach Abzug eines Nachlasses in Höhe von 5 % (K 14 - AB 96 f.).
Auch bei der Vergabe des Bauhauptloses kam es zu zahlreichen, teilweise erheblichen Verzögerungen: So forderte die Beklagte nach Angebotseröffnung am 17.08.2004 von der auf dem ersten Rang befindlichen Bietergemeinschaft, erstmals am 13.10.2004, Aufklärung gem. § 24 VOB/A hinsichtlich der Angebotspreise, dem die Bietergemeinschaft am 11.11.2004 entsprach. Am 27.01.2005 forderte die Beklagte die Bietergemeinschaft zu einer weiteren Aufklärung ihres Angebots bis zum 18.02.2005 auf, wozu die Bietergemeinschaft am 14.02.2005 Stellung nahm. Erst am 17.01.2006 teilte die Beklagte der Bietergemeinschaft im Hauptbaulos gemäß § 13 VgV mit, dass ihr Angebot nicht für den Zuschlag vorgesehen sei, weshalb die Bietergemeinschaft am 20.01.2006 den Ausschluss ihres Angebots als vergaberechtswidrig rügte und am 27.01.2006 einen Nachprüfungsantrag stellte, der am 10.03.2006 von der Vergabekammer zurückgewiesen wurde.
Wegen der enormen Verzögerung im Vergabeverfahren hatte die Klägerin bereits im Jahr 2005 und damit vor Erteilung des Zuschlags am 30.03.2006 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene Stahlgleitwand von 14,8 km sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen,...