Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch bei Beschädigung eines gemieteten Kfz wegen Sorgfaltspflichtverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

Grobe Fahrlässigkeit des Fahrzeugführers liegt vor, wenn sich dieser - nicht verkehrsbedingt - während der Fahrt umdreht oder ansonsten den Blick von der Fahrbahn abwendet und dadurch einen Unfall herbeiführt. Treten weitere maßgebliche Umstände hinzu, die eine erhöhte Aufmersamkeit erfordern, liegt ein Sorgfaltspflichtverstoß des Fahrzeugführers vor.

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 10.07.2013; Aktenzeichen 3 O 730/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Neubrandenburg vom 10.7.2013 abgeändert.

Der Beklagte wird als Gesamtschuldner mit Herrn R. H.,... in B., verurteilt, an die Klägerin 550 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.3.2012 zu zahlen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 9.153,49 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen Beschädigung eines von der Klägerin gemieteten Kraftfahrzeuges.

Die Klägerin vermietet Kraftfahrzeuge an Selbstfahrer. Der Beklagte mietete von der Klägerin für die Zeit vom 12.09. bis 22.9.2011 einen Pkw vom Typ Ford Focus. Als weiterer Fahrer war der Sohn des Beklagten, Herr R. H., berechtigt, das Fahrzeug zu führen. Im Mietvertrag vereinbarten die Parteien eine Haftungsfreistellung für selbst verschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 550 EUR pro Schadensfall. Der Vertragstext nahm auf die regelmäßig in der Vermietungsstation ausliegenden Allgemeinen Vermietungsbedingungen der Klägerin Bezug.

Unter dem Buchstaben I "Haftung des Mieters" heißt es u.a.:

"1. Bei Fahrzeugschäden, Fahrzeugverlust und Mietvertragsverletzungen haftet der Mieter grundsätzlich nach den allgemeinen Haftungsregeln ...

2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgeltes auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn

  • ...
  • er oder seine Erfüllungsgehilfin den Schaden durch Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit herbeigeführt haben.

..."

Unter N "Allgemeine Bestimmungen" heißt es u.a.:

"...

4. Solange und soweit in dieser Vereinbarung nichts geregelt ist, sind die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und die Vorschriften der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 95) entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch für sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Unklarheiten."

Am 15.9.2011 gegen 16.00 Uhr fuhr der gesonderte verklagte Sohn des Beklagten mit dem Mietfahrzeug in der Schweiz auf der Autobahn A3 mit einer Geschwindigkeit von ca. 89 km/h von Zürich in Richtung Chur. Die Fahrbahn war ausweislich der Anlage B1 trocken. Auf der Rücksitzbank hinter ihm schlief seine Lebensgefährtin und Mutter des gemeinsamen, damals acht Monate alten Kleinkindes. Jenes saß auf der Beifahrerseite der Rücksitzbank in einem altersgerechten Kindersitz.

In Höhe der Ausfahrt Flums, auf einem geradeausgehenden Bereich der Autobahn, verlor der Sohn des Beklagten die Kontrolle über das Fahrzeug, als er sich während der Fahrt nach dem Baby umschaute, das schreiende Geräusche abgab, auf welche die daneben sitzende schlafende Mutter nicht reagierte. Das Fahrzeug prallte gegen die Spitze des Leitplankendreiecks zwischen Abfahrt und Autobahn. An dem Fahrzeug entstand wirtschaftlicher Totalschaden; die Lebensgefährtin des Sohnes des Beklagten und dessen Kind wurden erheblich verletzt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt unter Hinweis auf I. 2. ihrer AGB i.V.m. § 81 VVG 70 % des Gesamtschadens, mithin 9.153,49 EUR netto geltend gemacht.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Fahrzeugführer habe grob fahrlässig gehandelt, so dass eine Haftungsfreistellung nicht in Frage komme. Das längere Abwenden der Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr mittels Durchführung betriebsfremder Handlungen, insbesondere das Umdrehen während der Fahrt auf öffentlichen Straßen sei ein unverantwortlicher Verkehrsverstoß, der regelmäßig ein objektiv grob fahrlässiges Verhalten des Fahrzeugführers darstelle. Es sei an einer gefährlichen Stelle und nicht auf einem eher ungefährlichen Geradeaus-Stück erfolgt. Zudem sei auch davon auszugehen, dass der Fahrzeugführer zumindest zwei bis drei Sekunden nach hinten geblickt habe, anderenfalls nicht nachvollziehbar sei, dass er soweit nach rechts abgekommen sei. Das Verhalten sei auch subjektiv vorwerfbar. Denn es sei in der konkreten Situation schlechthin unentschuldbar gewesen, sich umzuschauen. Infolge der grob fahrlässigen Schadensverursachung entfalle die Verpflichtung der Klägerin zur Haftungsfreistellung nach I. 2. der Allgemeinen Mietbedingungen. Der Beklagte hafte demnach für den entstandenen Schaden aus §§ 535, 540, 280 BGB. Da der Vorschrift des § ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?