Leitsatz (amtlich)
1. Im Hinblick auf die Rückerstattung von Beitragsanteilen aus unwirksamen Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung kann der Versicherungsnehmer im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO vorgehen, wenn er sich für die Unwirksamkeit der Beitragsänderungen auf eine Unzulänglichkeit ihrer Begründung in von ihm in Bezug genommen entsprechenden Anschreiben und Informationsblättern des Versicherers stützt (Anschluss an OLG Schleswig, Urteil vom 18.07.2022, Az.: 16 U 181/21, - zitiert nach juris -, Rn. 65 ff.).
2. Der Versicherungsnehmer hat einen Anspruch gegen den Versicherer darauf, dass er ihm Kopien des Versicherungsscheins und seiner Nachträge für zurückliegende Jahre zur Verfügung stellt (jedenfalls) aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DS-GVO.
3. Ist im Falle einer Stufenklage gemäß § 44 GKG regelmäßig der Leistungsantrag als der höchste der verbundenen Ansprüche wertbestimmend und zwar in dem Umfang, den er zu diesem Zeitpunkt tatsächlich oder jedenfalls nach der Vorstellung des Klägers bei objektiver Betrachtungsweise hat, spricht - zumal mangels anderweitiger Anhaltspunkte für eine Schätzung - nichts dagegen, im Ansatz an den von dem Kläger in Bezug genommenen Durchschnittswert in vergleichbaren Verfahren erzielter Rückzahlungen anzuknüpfen.
Normenkette
EUV 2016/679 Art. 15 Abs. 1, 3 S. 1; ZPO § 254
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 24.03.2022; Aktenzeichen 2 O 178/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 24.03.2022 insoweit abgeändert, als die Stufenklage abgewiesen worden ist, und im Wege des Teilurteils wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zu der Versicherungsnummer - Kopien der Versicherungsscheine und Nachträge zum Versicherungsschein der Jahre 2013, 2015, 2016 und 2017 herauszugeben.
II. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Schwerin zurückverwiesen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
I. Der Streitwertbeschluss des Landgerichts Schwerin vom 24.03.2022 wird von Amts wegen abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass der Streitwert für den ersten Rechtszug auf bis zu 10.000,00 EUR festgesetzt wird.
II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Wege einer Stufenklage über die Wirksamkeit von Prämienanpassungen im Rahmen einer privaten Krankenversicherung sowie sich daraus ergebende Ansprüche auf Rückerstattung und Herausgabe von Nutzungen.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Versicherungsunternehmen, bei dem für den Kläger seit dem Jahr 2000 mit den Tarifen X, Y und Z eine Versicherung der eingangs genannten Art in Verbindung mit einer privaten Pflegeversicherung besteht. In den Versicherungsvertrag sind die Versicherungsbedingungen der Beklagten einbezogen, welche unter anderem die folgenden hier relevanten Regelungen beinhalten:
"(...)
(1) Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z. B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit bei den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. Unter den gleichen Voraussetzungen kann auch eine betragsmäßig festgelegte Selbstbeteiligung angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden. Im Zuge einer Beitragsanpassung werden auch der für die Beitragsgarantie im Standardtarif erforderliche Zuschlag (§ 19 Abs. 1 Satz 2) sowie der für die Beitragsbegrenzungen im Basistarif erforderliche Zuschlag (§ 20 Satz 2) mit den jeweils kalkulierten Zuschlägen verglichen, und, soweit erforderlich, angepasst.
(2) Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.
(...)"
In den Jahren ab 2012 nahm die Beklagte mehrfach Anpassungen der betreffenden Beiträge vor.
In einem Anschreiben der Beklagten zu Änderungen der Prämienhöhe zum 01.04.2013 fanden sich insofern unter anderem die folgenden hier relevanten Formulieru...