Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtskraftwirkung eines Titels zwischen dem Insolvenzgläubiger und dem Insolvenzverwalter wirkt regelmäßig nicht über die Parteien hinaus.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für den Schaden, der dadurch entsteht, dass Baugeld zweckentfremdet wurde, trägt der Baugeldgläubiger. Auch nach der Neufassung des Bauforderungssicherungsgesetzes vom 29.07.2009 ist die Klägerin dafür darlegungs- und beweispflichtig, in welcher Höhe die Insolvenzschuldnerin Baugeld tatsächlich erhalten hat. Das gilt auch, soweit der Baugeldempfänger behauptet, die Forderung sei wegen Mängeln nicht durchsetzbar gewesen.
3. Allerdings ist es Sache des Baugeldempfängers, die Grundlagen für etwaige Rechte des Auftraggebers wegen Mängeln substantiiert darzulegen. Der Baugeldgläubiger genügt seiner Darlegungslast durch den Nachweis, dass der Verwendungspflichtige Baugeld in mindestens der Höhe der Forderung des Baugeldgläubigers empfangen hat und von diesem Geld nichts mehr vorhanden ist, ohne dass eine fällige Forderung des Gläubigers befriedigt worden wäre. Die Beweislast des Baugeldgläubigers erstreckt sich daher auf den Empfang, die Eigenschaft sowie die Höhe des empfangenen Baugeldes. Der Baugeldempfänger hat sodann den Nachweis der ordnungsgemäßen Verwendung zu führen.
4. Es fehlt die haftungsbegründende Kausalität zwischen einer in der Baugeldveruntreuung liegenden Pflichtverletzung und dem Schaden, wenn der hypothetische Ausgleich einer Forderung der insolvenzrechtlichen Anfechtung nicht Stand gehalten hätte. Denn ein nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1, 2 Bauforderungssicherungsgesetz ersatzfähiger Schaden entfällt, wenn pflichtgemäß geleistete Zahlungen anfechtungsrechtlich keinen Bestand gehabt hätten.
Normenkette
BauFordSiG § 1 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 03.07.2020; Aktenzeichen 1 O 72/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 03.07.2020, Az.: 1 O 72/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil sowie diese Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 141.880,07 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als ehemaliges Vorstandsmitglied der inzwischen insolventen Firma t. AG (nachfolgend Insolvenzschuldnerin) auf Schadensersatz wegen des Ausfalls von Restwerklohn für Leistungen an verschiedenen Bauvorhaben sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Im Einzelnen betrifft es die Forderungen:
Bauvorhaben |
Auftrag/Vertrag |
Schlussrechnung |
Restforderung |
Solarpark I. |
25.05.2012 |
30.05.2012 |
158,75 EUR (=5% Einbehalt) |
Solarpark B. |
25.05.2012 |
03.12.2012 |
26.383,19 EUR |
Solarpark D. |
06.06.2012 |
03.12.2012 |
20.732,09 EUR |
Solarpark G. |
26.07.2012 |
03.12.2012 |
72.408,53 EUR |
Solarpark S. |
23.08.2012 |
08.03.2013 |
5.631,25 EUR |
Solarpark Z. |
27.09.2012 |
20.12.2012 |
7.863,00 EUR |
Zusatzleistungen |
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16.08.2012 |
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09.10.2012 |
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17.10.2012 |
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8.703,26 EUR |
Gesamtforderung: |
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141.880,07 EUR. |
Der Beklagte wurde am 15.12.2011 als weiteres vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der Insolvenzschuldnerin im Handelsregister des Amtsgerichts Rostock (HRB x - Anlage B 3 - Bd. I Bl. 176 d.A.) eingetragen. Geschäftsgegenstand der Insolvenzschuldnerin waren unter anderem die Planung, Errichtung und der Handel im Bereich der Photovoltaik sowie der Solartechnik.
Im Jahr 2012 führte die Insolvenzschuldnerin verschiedene Solarprojekte an unterschiedlichen Standorten durch und beauftragte die Klägerin mit Kabelverlegungsarbeiten. Die von der Klägerin im einzelnen abgerechneten Leistungen wurden nicht vollständig bezahlt. Streitgegenständlich sind Ansprüche der Klägerin aus im Zeitraum Mai bis Oktober 2012 abgeschlossenen Verträgen sowie wegen der Vergütung zusätzlicher Stundenlohnarbeiten. Nachverhandlungen zur Vermeidung eines Rechtsstreits blieben erfolglos. Nach fruchtloser Fristsetzung zur Zahlung eines Restbetrages in Höhe von 142.542,57 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten (Anlage K 28 - Anwaltsschreiben vom 08.04.2013 - Bd. I Bl. 85 f. d.A.) hat die Klägerin unter dem 08.05.2013 beim Landgericht Rostock Klage gegen die t. AG (Az.: 5 HK O 91/13) erhoben, die sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin zurückgenommen hat.
Unter dem 12.08.2013 stellten der Beklagte und ein weiteres Vorstandsmitglied Insolvenzantrag. Ausweislich des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 26.09.2013 (Bd. II Bl. 75 ff. d.A.) lag der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit vor. Mit Beschluss d...