Normenkette
VVG § 61
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Aktenzeichen 2 O 175/01) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Neubrandenburg vom 26.9.2001 – 2 O 175/01 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Streitwert des Berufungsverfahrens: 15.082,33 DM = 7.711,47 Euro.
Tatbestand
Der Kläger macht Ansprüche aus einer Fahrzeug-Vollversicherung geltend.
Der Kläger befuhr am 30.9.2000 gegen 16:39 Uhr mit seinem Pkw die H.-Straße in H. Er wohnte zu diesem Zeitpunkt noch in L. und befuhr die Strecke an diesem Tag erstmalig. Der Kläger näherte sich dem Kreuzungsbereich H.-Straße/H.-Straße/O.-Allee. Zu diesem Zeitpunkt war die für den Kläger maßgebliche Ampel auf rot geschaltet. Unmittelbar vor der Ampel führt eine Fußgängerbrücke über die H.-Straße, bei der es sich um eine mehrspurige Hauptverkehrsader mit hohem Verkehrsaufkommen und hektischem Großstadtverkehr handelt. An dieser Brücke befinden sich Ortshinweisschilder. Unmittelbar bevor der Kläger den Kreuzungsbereich erreichte, rief seine Beifahrerin dem Kläger zu, dass er nach rechts abbiegen müsse. Der Kläger erschrak, sah auf die Hinweisschilder, um sich zu orientieren, ob er noch kurzfristig einen Spurwechsel vornehmen müsse. Dabei übersah er, dass die Ampel auf Rot geschaltet war und fuhr in den Kreuzungsbereich hinein. Sein Fahrzeug kollidierte dort mit einem Linksabbiegerfahrzeug.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei ein Schaden von 15.082,33 DM entstanden.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.082,33 DM nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz gem. § 1 DÜG ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe den Unfall grob fahrlässig verschuldet. Ein Überfahren einer Kreuzung bei Rotlicht sei wegen der großen Gefährlichkeit für den Straßenverkehr objektiv grob fahrlässig und sei ein Indiz für grobe Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht. Der Kläger als Versicherungsnehmer habe, um sich von dem Vorwurf zu entlasten, besondere Umstände darzulegen, die den Verstoß in einem milderen Licht erscheinen ließen. Besondere Umstände der Örtlichkeit des Kreuzungsbereiches oder in der Person des Klägers lägen nicht vor. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass die Ampelanlage in der vorgefundenen Form zu beanstanden sei. Die Tatsache, dass die Verkehrsführung im Bereich der Kreuzung und die Ampelanlage selbst dem Kläger unbekannt gewesen seien, entlaste ihn nicht, sondern hätte ihn als Fahrzeugführer gerade zu erhöhter Sorgfalt und Aufmerksamkeit verpflichtet. Auch der Hinweis der Mitfahrerin könne ihn vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht exkulpieren. Der Kläger habe das notwendige Maß an Konzentration subjektiv unentschuldbar nicht aufgebracht.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei gem. § 61 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil der Kläger den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Klagantrag vollumfänglich weiter verfolgt.
Er meint, das LG komme unzutreffend zu dem Schluss, dass die Einstandspflicht der Beklagten gem. §§ 1, 49 VVG i.V.m. § 12 2 I e AKB gem. § 61 VVG ausgeschlossen sei, weil der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die Entscheidungsgründe ließen jegliche Subsumtion zur Einwendung des § 61 VVG vermissen. Der Kläger habe seinen Anspruch dargetan. Nicht der Kläger müsse sein Verhalten entschuldigen, sondern die Beklagte sei für die Begründung ihrer Leistungsfreiheit, also das objektive und subjektive grob fahrlässige Verhalten des Klägers, darlegungs- und beweispflichtig. Die genaue Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles ergebe, dass der Kläger den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht habe. Das LG habe sich nicht mit allen bedeutenden Umständen auseinandergesetzt.
Der Kläger habe Tatsachen dargelegt, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen ließen. Er komme aus einer kleinen Stadt, mit nur 3.500 Einwohnern im dünn besiedelten Landkreis U.-R., und sei solchen Verkehr, wie er auf der mehrspurigen Hauptverkehrsader mit hektischem schnellfließenden Großstadtverkehr gewesen sei, nicht gewohnt gewesen. Er sei hochkonzentriert und aufmerksam an die Kreuzung herangefahren. Der hektische schnellfließende Verkehr, der unvermittelte hektische Zuruf seiner Beifahrerin, die daraus resultierende Ablenkung, das Erfordernis, schnell die Orientierungsschilder suchen zu müssen, um zu entscheiden, ob ein Spurwechsel angezeigt sei und das damit einhergehende Erfordernis, auf den übrigen Straßenverkehr zu achten, habe zu einer augenblicklichen Überforderung des Klägers geführt, aufgrund derer er nicht in der Lage gewesen sei, die vielen unterschiedlichen Eindrücke des Verkehrsgeschehens aufzunehmen, zu verarbeiten und sich objektiv richtig zu verhalten.
Die Feststellung...