Leitsatz (amtlich)
1. Ob ein Kalkulationsirrtum "verdeckt" oder "offen" ist, hat nichts mit der Frage zu tun, ob der Erklärungsempfänger den Irrtum des Erklärenden erkannt hat; beide Begriffe beziehen sich nicht auf den Irrtum, sondern auf die Kalkulation.
2. Haben die Parteien den Kaufpreis beziffert vereinbart und ist die Preisbestimmung deshalb weder einer Auslegung zugänglich noch Folge eines Dissenses, ist der offene (externe) Kalkulationsirrtum nur noch unter den Gesichtspunkten eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) zu bewerten.
a. Eine Anpassung des Kaufpreises nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlage kommt beim offenen Kalkulationsirrtum nur - ausnahmsweise - in Betracht, wenn feststeht, dass der Käufer auch zu dem höheren Preis gekauft hätte oder seine Ablehnung des Kaufs zu dem richtig errechneten Preis unredlich wäre (BGH, Urteil vom 20. März 1981 - V ZR 71/80, Rn. 13 f.).
b. Eine unzulässige Rechtsausübung ist beim offenen Kalkulationsirrtum - wie beim verdeckten, aber erkannten Kalkulationsirrtum - lediglich dann anzunehmen, wenn der Erklärungsempfänger nicht nur positive Kenntnis vom Kalkulationsirrtum des Erklärenden hat, sondern auch vom Ausmaß des Irrtums (BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 - X ZR 17/97, Rn. 22-24).
Normenkette
BGB §§ 242, 313
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 10.04.2019, Az. 7 O 22/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Eine erste Verlängerung der Frist um nicht mehr als zwei Wochen auf (kurz) begründeten Antrag kann als stillschweigend bewilligt angesehen werden. Ein besonderer Bescheid ergeht regelmäßig nicht. Eine weitere Verlängerung kann grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 224 Abs. 2, 225 Abs. 2, 525 Satz 1 ZPO bewilligt werden.
Zur Vermeidung weiterer Kosten (Nrn. 1200 ff. KV GKG) wird die Rücknahme des Rechtsmittels anheim gegeben.
3. Den Streitwert für das Berufungsverfahren beabsichtigt der Senat auf 331.818,45 EUR festzusetzen. Auch insoweit wird - beiden Parteien - rechtliches Gehör in der bestimmten Frist gewährt.
Gründe
Mit Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 12. Dezember 2018 hat das Landgericht die Klage zurecht abgewiesen.
Dem Kläger stehen nach dem Verkauf seines B.-Kommanditanteils an den Beklagten weder weitergehende Zahlungsansprüche in einer Gesamthöhe von 331.818,45 EUR (I.) noch hilfsweise das Recht zu, vom Beklagten die Mitwirkung an der Erstellung eines Schiedsgutachtens zur Feststellung des endgültigen Kaufpreises und die Auskehr eines sich etwaig aus dem Gutachten ergebenden Mehrerlöses zu verlangen (II.)
I. Aus dem notariellen Kaufvertrag vom 13. Mai 2015 (I 14) - ergänzt und modifiziert durch weiteren Notarvertrag vom 22. November 2016 (I 77) - kann der Kläger keine weiteren Zahlungen verlangen, weder eine Kaufpreiserhöhung um 310.021,09 EUR (1.) noch einen Ausgleich für abgelöste Verbindlichkeiten in Höhe von 7.136,28 EUR bzw. für die kaufpreismindernde Berücksichtigung tatsächlich nicht mehr durchsetzbarer Verbindlichkeiten in Höhe von 14.661,08 EUR (2.).
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht dem Kläger ein Recht zur Preisanpassung versagt.
a. Sein Verweis (LGU 6) auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1985 (VII ZR 188/84) und vom 7. Juli 1998 (X ZR 17/97) lässt allerdings erkennen, dass es seiner Entscheidung die Grundsätze zugrunde gelegt hat, die für den verdeckten (internen) Kalkulationsirrtum gelten. Tatsächlich waren beide Parteien einem offenen Kalkulationsirrtum erlegen.
aa. Ob ein Kalkulationsirrtum "verdeckt" oder "offen" ist, hat nichts mit der Frage zu tun, ob der Erklärungsempfänger den Irrtum des Erklärenden erkannt hat. Beide Begriffe beziehen sich nicht auf den Irrtum, sondern auf die Kalkulation. Hat der Erklärende die dem Preis zugrundeliegende Kalkulation ausdrücklich zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht, hat er sie "offen" gelegt. Hat er dem Geschäftsgegner hingegen lediglich das Ergebnis seiner Berechnung mitgeteilt, ist seine Kalkulation "verdeckt" geblieben. Beiden Irrtümern ist gemein, dass sie als Motivirrtum unbeachtlich sind und deshalb nicht zu einer - hier i.Ü dem auf Anpassung, nicht Auflösung des Kaufvertrags gerichteten Klageziel widersprechenden - Anfechtung nach § 119 BGB berechtigen. In ihrer rechtlichen Behandlung sind sie indes voneinander zu unterscheiden (zum Ganzen: Ellenberger, in Palandt, BGB, 79. Aufl. [2020], § 119 Rn. 18 bis 21 b).
bb. Dem notariellen Kaufvertrag...