Leitsatz (amtlich)
1. Eine Tat im prozessualen Sinne liegt bei vorangegangener Trunkenheitsfahrt vor, wenn ein betrunkener Kraftfahrer im Auto sitzend von der Polizei angetroffen wird und noch vor Ort im Zuge von Maßnahmen zur Feststellung der Alkoholkonzentration alsbald die Polizei tätlich angreift.
2. Zur Reichweite der (beschränkten) materiellen Rechtskraft eines Strafbefehls nach §§ 410 Abs. 3 und 373a StPO.
3. Das Doppelbestrafungsverbot nach Art. 103 Abs. 3 GG steht einer gesonderten Strafverfolgung der vorangegangenen Trunkenheitsfahrt entgegen, wenn der unmittelbar damit zusammenhängende nachfolgende tätliche Angriff auf Polizeibeamte bereits rechtskräftig abgeurteilt ist.
4. Auch bei Vorliegen eines Verfahrenshindernisses, welches in der Instanz übersehen wurde, hat das Revisionsgericht das Urteil gemäß § 354 Abs. 1 StPO aufzuheben und das Verfahren nach § 206a StPO einzustellen.
5. Bei Vorliegen eines Strafklageverbrauchs liegt ein Verfahrenshindernis in Form eines Befassungsverbots vor, weswegen mit dem Urteil gemäß § 353 Abs. 2 StPO auch die Feststellungen aufzuheben sind.
Verfahrensgang
AG Schwäbisch Gmünd (Aktenzeichen 2 Cs 31 Js 6486/20) |
AG Ellwangen (Entscheidung vom 03.04.2020; Aktenzeichen 3 Gs 277/20) |
LG Ellwangen (Entscheidung vom 15.02.2021; Aktenzeichen 3 Ns 31 Js 6486/20) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 15. Februar 2021 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Der Beschluss des Amtsgerichts Ellwangen (Jagst) vom 3. April 2020, mit dem die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde, wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Auf die zulässige Revision des Angeklagten hebt der Senat das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 15. Februar 2021 auf und stellt das Verfahren nach § 206a StPO ein, weil der Verurteilung das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs entgegensteht, Artikel 103 Abs. 3 GG.
I.
1.
Gegenstand des Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe am 28. März 2020 gegen 19.33 Uhr seinen PKW Mercedes Kombi, amtliches Kennzeichen XX, in der B.straße in 73527 Schwäbisch Gmünd von der dortigen Wendeplatte circa 200 bis 300 Meter zu seiner Wohnadresse in der B.straße 38 gefahren, obwohl er infolge vorangegangenem Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Eine bei dem Angeklagten am 28. März 2020 um 20.30 Uhr entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 Promille ergeben. Eine weitere an demselben Abend um 21.06 Uhr entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille ergeben. Seine Fahruntüchtigkeit habe der Angeklagte aufgrund der Gesamtumstände erkannt und billigend in Kauf genommen. Durch die Tat habe sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
2.
Der Führerschein des Angeklagten wurde noch am 28. März 2020 um 20 Uhr beschlagnahmt. Mit Beschluss vom 3. April 2020 bestätigte das Amtsgericht Ellwangen (Jagst) die Beschlagnahme des Führerscheins und entzog vorläufig gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis.
3.
Das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd verurteilte den Angeklagten am 23. Juli 2020 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 € und ordnete die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins und eine sechsmonatige Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis an. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein. Die Berufung wurde vom Landgericht Ellwangen (Jagst) am 15. Februar 2021 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 7. Juli 2020 zu der Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt wurde und die Fahrerlaubnissperre auf noch drei Monate festgesetzt wurde.
Dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 7. Juli 2020 wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 28.03.2020 gegen 19.50 Uhr wurden Sie nach einer Fahndung wegen der Anzeige einer mit der Benennung des Kennzeichens Ihres Fahrzeugs und Ihrer Personenbeschreibung angezeigten Trunkenheitsfahrt durch die uniformierten Streifenbeamten PHM A und POM'in B auf dem Fahrersitz Ihres an der B.straße in Schwäbisch Gmünd abgestellten Fahrzeugs angetroffen. Nach der Durchführung eines Atemalkoholtests zeigten Sie sich gegenüber den mit den weiteren polizeilichen Maßnahmen befassten Polizeibeamten aggressiv. Als PHM A Ihnen erklärte, Sie aufgrund des Verdachts der Trunkenheitsfahrt zur Durchführung einer Blutentnahme in das Stauferklinikum Mutlangen verbringen zu müssen, schlugen Sie die Fahrertür mit Wucht zu und fluchten herum. Bei dem Versuch von PHM A, Sie vor der Mitnahme am Fahrzeug stehend zu durchsuchen - während POM'in B und der weiter hinzugeko...