Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung der Jahresgebühr für die Betreuung bei einem Behindertentestament

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Berücksichtigung von Vermögen des Betreuten bei Erhebung der Jahresgebühr gemäß GNotKG KV Nr. 11101 kommt es nicht auf die tatsächliche Verfügbarkeit über die Vermögenswerte an. Auch eine Erbschaft, die dem Betreuten durch sogenanntes Behindertentestament als nicht befreitem Vorerben bei gleichzeitig angeordneter Dauertestamentsvollstreckung zugefallen ist, wirkt sich werterhöhend aus.

 

Normenkette

GNotKG KV Nr. 11101

 

Verfahrensgang

LG Ellwangen (Beschluss vom 29.11.2019; Aktenzeichen 1 T 173/19)

AG Aalen (Beschluss vom 09.10.2019; Aktenzeichen A XVII 359/18)

 

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 4 werden der Beschluss des Landgerichts Ellwangen vom 29.11.2019 - 1 T 173/19 - und der Beschluss des Amtsgerichts Aalen vom 09.10.2019 - A XVII 359/18 - abgeändert.

Die Erinnerung des Betroffenen gegen den Kostenansatz des Amtsgerichts Aalen vom 07.03.2018 - Kassenzeichen ... - wird zurückgewiesen.

2. Das Verfahren ist in allen Instanzen gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Für den Betroffenen wurden mit Beschluss des Notariats Aalen als Betreuungsgericht vom 28.01.2014 die weiteren Beteiligten zu 1 und 2 zu ehrenamtlichen Betreuern mit den Aufgabenkreisen aller persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten sowie die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr, die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten von Post bestellt. Da das Vermögen des Betroffen die Freigrenze von 25.000 EUR nicht überstieg (Vermögen lt. Vermögensverzeichnis zum Stichtag 28.01.2014 [Bl. 22 d.A.] = 1.387,32 EUR; zum Stichtag 01.02.2015 = 1.557,24 EUR [Bl. 26 d.A.]; zum Stichtag 01.02.2016 = 1.468,24 [Bl. 34 d.A.]; zum Stichtag 01.02.2017 = 1.493,24 EUR [Bl. 42 d.A.]), wurden Jahresgebühren gemäß GNotKG KV Nr. 11101 zunächst nicht erhoben.

Am 19.09.2017 verstarb der Onkel des Betroffenen ... ... und der Betroffene wurde aufgrund Testaments vom ... 2017 (Bl. 66 ff. d.A.) hälftiger - außer von den Vorschriften der §§ 2116, 2118, 2119 BGB nicht befreiter - Vorerbe. Hinsichtlich des dem Betroffenen zufallenden Erbteils hat der Erblasser Dauertestamentsvollstreckung angeordnet und die weitere Beteiligte zu 2 zur Testamentsvollstreckerin ernannt. Zusätzlich hatte der Erblasser angeordnet, dass die von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Testamentsvollstreckerin nicht über den Erbteil verfügen, jedoch bei einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft mitwirken darf. Nach erfolgter Erbauseinandersetzung sollte sich die Testamentsvollstreckung an den Vermögenswerten, die dem Betroffenen bei der Nachlassteilung zufallen, fortsetzen. Die Testamentsvollstreckerin wurde gemäß § 2216 Abs. 2 BGB verbindlich angewiesen, die dem Betroffenen gebührenden jährlichen Reinerträgnisse des Nachlasses ausschließlich in Form von Geschenken zum Geburts- und Namenstag, zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten, Zuwendungen zur Befriedigung individueller Bedürfnisse, Zuschüssen zur Finanzierung und Gestaltung des Urlaubs und Geldzuwendungen zukommen zu lassen. Letztere sollten jedoch - für den Fall dass der Betroffene Sozialleistungen in Anspruch nehmen sollte - den Rahmen dessen nicht übersteigen, was der Betroffene nach den einschlägigen Bestimmungen maximal zur freien Verfügung haben darf, damit die Sozialleistungen entstehen bzw. keine Erstattungspflicht eintritt.

Mit Beschluss vom 08.03.2019 hat das Amtsgericht Aalen als Betreuungsgericht die weitere Beteiligte zu 3 zur Ergänzungsbetreuerin bestellt mit dem Aufgabenkreis Wahrung der Interessen und Rechte aufgrund der nach ... ... angefallenen Erbschaft.

Auf Grundlage der dem Betreuungsgericht im Folgenden mitgeteilten, dem Betroffenen zustehenden Nachlassanteile, setzte die Kostenbeamtin mit der verfahrensgegenständlichen Kostenrechnung vom 07.03.2019 (Bl. I d.A.) - ausgehend von einem gebührenrelevanten Vermögenswert von 143.081,52 EUR - die Jahresgebühr gem. GNotKG KV Nr. 11101 für das Jahr 2019 auf 290 EUR fest.

Auf die von der weiteren Beteiligten zu 2 namens des Betroffenen eingelegten Erinnerung hob das Amtsgericht Aalen mit Beschluss vom 09.10.2019 den Kostenansatz auf. Dabei schloss sich der zuständige Richter der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 18.01.2019 - 34 Wx 165/18 - an, wonach beim Ansatz der Gebühr nach GNotKG KV Nr. 11101 das Vermögen, welches dem Betreuten durch sogenanntes Behindertentestament im Rahmen einer Erbschaft als nicht befreitem Vorerben bei gleichzeitig angeordneter Dauertestamentsvollstreckung zugefallen ist, bei der Ermittlung des Reinvermögens als Grundlage der gerichtlichen Jahresgebühr für eine Dauerbetreuung nicht werterhöhend zu berücksichtigen sei. Satz 2 der Anmerkung 1 zu der Gebühr nach GNotKG KV Nr. 11101 zeige, dass auch der Gesetzgeber nur das Vermögen in die Berechnung einbeziehen wollte, das d...

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