Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Wangen im Allgäu vom 12. April 2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen ihres gesetzlichen Vertreters beginnend ab 1. April 2017 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 179 EUR zu zahlen. Der Unterhalt ist jeweils zum Ersten eines Monats im Voraus fällig.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens in erster Instanz tragen die Antragsgegnerin zu 45 % und die Antragstellerin zu 55 %. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.144,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt.

Die Antragstellerin, die bei ihrem Vater lebt, ist die am ... 2003 geborene Tochter der Antragsgegnerin. Aus der geschiedenen Ehe der Eltern gingen neben der Antragstellerin noch die am ... 2006 geborenen Zwillinge ... und ... hervor, die bei der Mutter leben. ... ist schwerbehindert, er ist erheblich entwicklungsverzögert und sowohl geistig als auch körperlich erheblich beeinträchtigt. Er besucht eine Sonderschule für körperbehinderte Kinder, von der er zu Hause abgeholt und auch dorthin zurückgebracht wird, so dass er pro Woche 31 Stunden betreut ist. ... hat den Pflegegrad 5 erhalten und bezieht von seiner Pflegeversicherung Pflegegeld nach § 37 SGB XI in Höhe von 901 EUR monatlich, das an die Antragsgegnerin als Pflegeperson nach § 19 SGB XI weitergeleitet wird. ... und die Antragstellerin besuchen die Regelschule. Die Antragstellerin besucht weiterhin eine Musikschule, für die monatlich 63,90 EUR zu zahlen sind. Außerdem benötigt sie eine Karte für den Schulbus, die monatlich 27 EUR kostet.

Die Antragsgegnerin ist gelernte Schreinerin, in diesem Beruf aber nicht tätig. Sie hat sich zur Zupfinstrumentenbauerin umschulen lassen. Bis Ende Juni 2017 arbeitete sie bei einem Gitarrenbauer in ... an zwei Vormittagen in der Woche, jeweils 5 Stunden, zu einem Stundenlohn von 17 EUR. Da der Inhaber des Unternehmens verstarb, wurde der Arbeitsvertrag gekündigt. Sie hat nunmehr eine neue Stelle ab September 2017 bei einem anderen Gitarrenbauer in ... gefunden, wo sie einen Arbeitsvertrag über 10 Wochenstunden mit einem Stundenlohn von ebenfalls 17 EUR hat. Die einfache Entfernung zur Arbeitsstelle beträgt 20 km. Für Juli und August 2017 erhält sie Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 362,70 EUR. Bis Februar 2017 arbeitete sie weiterhin freiberuflich in einer Zirkusakademie, an der sie an zwei Nachmittagen Kurse gab und dabei im Jahr 2015 3.600 EUR Gewinn erzielte. Im Laufe des Jahres 2016 wurde diese Tätigkeit auf einen Kurs in der Woche reduziert und schließlich im Februar 2017 beendet.

Der Vater der Antragstellerin ist nichtselbständig beschäftigt. Er hat das während der Ehe gemeinsam bewohnte Haus im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung der Eltern übernommen und bewohnt es nunmehr mit der Antragstellerin. Eine Wohnung in diesem Haus hat er für monatlich 400 EUR vermietet. Er zahlt für ... und ... monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 110 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes, was auch durch Jugendamtsurkunden tituliert ist.

Die Antragsgegnerin erhielt den hälftigen Wert des Hauses als Ausgleichszahlung sowie eine Abfindung von 15.000 EUR im Gegenzug für einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt. Sie hat mit diesen Zahlungen und zusätzlicher Darlehensfinanzierung ein Haus gekauft, renoviert und behindertengerecht umgebaut. Im Kaufvertrag war jedoch vereinbart, dass die Verkäuferin die Räume im Obergeschoss des Hauses noch bis 31. März 2017 für sich nutzen konnte. Die Räume wurden zum 1. April 2017 an die Antragsgegnerin übergeben, die nunmehr das gesamte Haus für sich nutzen kann.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin ab April 2016 zur Zahlung des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes zuzüglich eines Mehrbedarfs von 45,45 EUR (Hälfte der Musikschul- und Schulbuskosten) zu verpflichten.

Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin ab April 2016 zur Zahlung des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes zuzüglich eines Mehrbedarfs i.H.v. 12 EUR verpflichtet. Es ging dabei davon aus, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, monatlich 120 Stunden zu arbeiten, nachdem ... 30 Stunden in der Woche betreut ist. Bei einem so mit einem Stundenlohn von 17 EUR errechneten Einkommen und der Berücksichtigung eines Wohnwerts ihres Hauses und des Pflegegeldes sei sie für den Mindestunterhalt leistungsfähig und könne sogar ihren angemessenen Selbstbehalt wahren. Für den Mehrbedarf hafte sie nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern jedoch nicht zur Hälfte, sondern nur in Höhe von 12 EUR monatlich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie beantragt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge