Leitsatz (amtlich)

Gegen die Ablehnung der Einholung eines neuen Gutachtens nach § 412 ZPO ist im selbständigen Beweisverfahren der Beschwerdeweg eröffnet.

 

Normenkette

ZPO §§ 412, 485, 567

 

Verfahrensgang

LG Hechingen (Beschluss vom 07.05.2008; Aktenzeichen 2 OH 10/03)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG H. vom 7.5.2008 (Aktenzeichen 2 OH 10/03) wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin/Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Frage der Notwendigkeit der Bestellung eines weiteren Gutachters nach § 412 ZPO im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens.

Die Antragsgegnerin hat auf dem Grundstück des Antragstellers ein Produktions- und Verwaltungsgebäude neu errichtet. Der Antragsteller behauptet in diesem Zusammenhang Gewährleistungsansprüche aus abgetretenem Recht wegen im Untergeschoss aufgetretener Feuchtigkeitsprobleme (... wird ausgeführt).

Mit Beschluss vom 9.10.2003 hat das LG den Sachverständigen S. antragsgemäß mit der Beantwortung der von beiden beteiligten Parteien zu diesen Beweisthemen gestellten Fragen beauftragt. Mit Beschluss vom 1.12.2003 wurde in Abänderung dieser Entscheidung für einen Großteil der von der Antragsgegnerin aufgeworfenen Fragen Dipl.-Ing. Sch. zum Sachverständigen bestimmt. (...). Nachdem der Sachverständige S. Bedenken hinsichtlich seiner Kompetenz angemeldet hatte, wurde er mit Beschluss vom 20.9.2004 durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. D. ersetzt. (... weitere Ausführungen zu gutachterlichen Stellungnahmen, insoweit wird von der Veröffentlichung abgesehen).

Die Antragsgegnerin verwies darauf, dass der Sachverständige eine Begründung für die Sichtbarkeit von Rissen bzw. Biegungen an der Oberfläche schuldig geblieben sei. Der Sachverständige sei offensichtlich zu einer präzisen Klärung außer Stande. Deshalb hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 1.2.2008 die Beauftragung eines Obergutachters beantragt. (... Begründung wird ausgeführt). Ausdrücklich unabhängig von der Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Einholung eines Obergutachtens bzw. eines weiteren Gutachtens im Sinne des § 412 ZPO hat die Antragsgegnerin Antrag auf Beantwortung weiterer konkret formulierter Fragen durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen gestellt.

Am 5.3.2008 hat das LG einen Beschluss erlassen, in dem eine ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen D. zu den von der Antragsgegnerin gestellten Fragen angeordnet wurde. Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 10.3.2008 zugestellt.

Am 2.4.2008 ging beim LG eine Beschwerde ein mit dem Bemerken, dass diese als Gegenvorstellung verstanden werden solle. Dem Beweisbeschluss solle abgeholfen werden. Über den Antrag auf Bestellung eines Obergutachtens habe das LG nicht entschieden. Eine förmliche Entscheidung unter Anwendung der Kriterien des § 412 Abs. 1 ZPO sei angezeigt. Die Aussagen des Sachverständigen D. seien ungenügend und untauglich. Die bereits verbrauchten 30.000 EUR Sachverständigenkosten, davon ca. 18.000 EUR durch den Sachverständigen D., seien angesichts der Leistung der beiden Sachverständigen weit überhöht. Auch dies lasse Zweifel an der sachgerechten Bearbeitung aufkommen. (...)

Mit Beschluss vom 7.5.2008 hat das LG den Antrag der Antragsgegnerin auf Einholung eines Obergutachtens zurückgewiesen.

Unabhängig davon, dass sich die Antragsgegnerin in prozessualer Hinsicht widersprüchlich verhalte, wenn sie Vorschuss einzahle nach dem Beweisbeschluss vom 5.3.2008 und nunmehr doch auf der Einholung eines Obergutachtens beharre, seien die Voraussetzungen von § 412 Abs. 1 ZPO jedenfalls im selbständigen Beweisverfahren nicht gegeben. Gerade im Hinblick auf § 412 ZPO würden deutliche Unterschiede bestehen zwischen dem selbständigen Beweisverfahren und dem streitigen Erkenntnisverfahren. Im selbständigen Beweisverfahren prüfe das Gericht gerade nicht die Schlüssigkeit und die rechtliche Erheblichkeit der Beweisfragen für ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren und könne deshalb ein rechtliches Interesse für ein selbständiges Beweisverfahren nur verneinen, wenn evident sei, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen könne. Daraus folge im Umkehrschluss, dass die Prüfungsdichte nach § 412 Abs. 1 ZPO ebenfalls eingeschränkt sein müsse. Sei dem Gericht schon eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung verwehrt, könne es im selbständigen Beweisverfahren auch nicht prüfen, wie sich die Ausführungen eines Sachverständigen für den Fall einer Entscheidung des Rechtsstreits auswirken würden bzw. welches von mehreren ggf. sich widersprechenden Gutachten zu einer bestimmten Sachentscheidung führen würde. Die Würdigung der erhobenen Beweise sei ausschließlich Sache des Prozessgerichts. Die Rechtsprechung des BGH, dass die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleichstehe, bedeute nicht, dass auch hier eine entsprechende inhaltliche Prüfung der Gutachten zu erfolgen habe. Durch seine Entscheidu...

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